Rechtsradikalismus:Neonazis in Loden

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Neonazis sind auch in München gegenwärtig - einer sitzt sogar im Stadtrat. Man wird lernen müssen, damit zu leben und gleichzeitig weiter dagegen ankämpfen.

Karl Forster

Runen über der Werbefläche eines Trambahn-Häuschens im Schlachthofviertel, braune Parolen an den Wänden einer Schule in Pasing, Nazi-Gegröle spätabends im Untergeschoss des Ostbahnhofs, man muss nicht lange suchen, um die Erkenntnisse von Verfassungsschutz und Polizei bestätigt zu sehen, zu hören, zu spüren: Neonazis gehören zum Alltag der Stadt.

Rechte Demonstrationen, wie hier zum Todestag von Rudolf Heß, gehören auch in München zum Alltag. (Foto: Foto: Hess)

Natürlich ist München nicht Leipzig, wo es normal ist, dass eine Horde von Glatzköpfen mit einschlägigen Fahnen den Ankommenden am Hauptbahnhof empfangen. Natürlich ist München nicht Wunsiedel, wo sich die Altnazis mit ihrem Nachwuchs zu Tausenden am Grab von Rudolf Heß treffen.

Doch es sitzt ein Nazi im Stadtrat, es versammeln sich die Nazis auf dem Marienplatz, es vergeht kaum ein Monat ohne eine Straftat mit rechtsradikalem Hintergrund. Das ist Münchens Gegenwart.

Man wird einerseits lernen müssen, damit zu leben. Man darf aber andererseits nicht aufhören, die Neonaziszene zu bekämpfen. Und dafür reicht heute nicht mehr die gerne geäußerte Erkenntnis, hier handle es sich nur um minderbemittelte Dumpfbacken, deren Äußerungen Wort gewordene Flatulenzen sind.

Das zwar auch, doch gehört es längst zur Taktik des braunen Führungspersonals, die Strickjacke des Biedermanns, den Nadelstreif des Unternehmers, den Kashmirpullover des Bildungsbürgers anzulegen. Das Tragen einschlägiger Uniformen überlässt man heute den Schlägern. Jener braune Stadtrat, gerne in Loden gewandet, ist Beweis genug, dass diese Strategie auch in München erfolgreich ist.

In dieser und der nächsten Ausgabe dokumentiert und analysiert die SZ die rechte Szene Münchens. Das Ergebnis subsumiert Brechts berühmter Satz aus dem Jahr 1955: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Dagegen hilft nur eines: Zivilcourage.

© SZ vom 27.03.2009/brei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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