Prozess in München:Autodieb wollte einen Platz im Gefängnis

Lesezeit: 1 min

  • Ein Obdachloser soll ein Auto gestohlen haben, um über den Winter einen Platz in einer Gefängniszelle zu bekommen.
  • Der 37-Jährige stahl das Auto eines Sushi-Lieferanten.
  • Der Fahrzeugbesitzer klammerte sich an seinem Auto fest, der Dieb konnte ihn nicht abschütteln.

Von Christian Rost

Nach einer rasanten Fahrt mit einem gestohlenen Auto, wobei der Fahrzeugbesitzer auf der Motorhaube lag und sich an die Scheibenwischer klammerte, hat die Staatsanwaltschaft am Landgericht München I Anklage gegen einen 37-jährigen Obdachlosen erhoben. Dem Autodieb wird versuchter Mord vorgeworfen.

Der Mann hatte im November 2014 den Fiat Punto eines 26-Jährigen in der Kapuzinerstraße gestohlen. Der Mitarbeiter des Lieferservice "Sushi-Chi" war kurz im Laden und hatte in seinem Fahrzeug die Schlüssel stecken lassen. Als er zum Wagen zurück kam, war er weg. Kurz darauf sah er den Punto auf der Gegenfahrbahn auf ihn zukommen. Am Steuer saß ein ihm unbekannter Mann. Der Sushi-Bote rannte los und stellte sich vor das Auto, als der Obdachlose kurz anhalten musste. Die Aufforderung "Halt, Stop" des Fahrzeugbesitzers ignorierte der 37-Jährige aber - und gab Gas.

Rasante Fahrt mit jähem Ende

Der Sushi-Bote wurde regelrecht aufgegabelt und landete auf der Motorhaube. Um nicht auf die Straße zu fallen, hielt er sich an den Scheibenwischern fest. Der Autodieb fuhr dann in Zick-Zack-Linien, um den Mann auf der Motorhaube abzuschütteln - der hielt sich aber wacker fest. Mit geschätzten 80 bis 90 Stundenkilometern ging es die Herzog-Heinrich-Straße entlang bis zur Paul-Heyse-Straße. An der Ecke zur Bayerstraße raste der Dieb bei Rotlicht in die Kreuzung. Dort prallte der Fiat mit dem Audi einer vierköpfigen Familie zusammen. Der Sushi-Bote wurde von der Motorhaube auf die Fahrbahn geschleudert. Er hatte großes Glück: Er erlitt nur Schürfwunden und Prellungen. Sonst wurde niemand verletzt.

Bis zum Eintreffen der Polizei blieb der Obdachlose im Auto sitzen. Bei seiner Vernehmung räumte er den Diebstahl ein. Als Motiv gab er an, dass er eine Straftat habe begehen wollen, um ins Gefängnis zu kommen, damit er in den kalten Nächten ein Dach über dem Kopf habe. Sein Anwalt Nicolas Frühsorger sagte: "Die Sache ist aus dem Ruder gelaufen. Er wollte niemanden töten. Er geriet in Panik."

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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