Radarfallen:Blitzer, die Hassobjekte am Straßenrand

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Manche Kritiker halten die Radarfallen für reine Abzocke. Doch viel Geld verdient die Stadt bei ihren Kontrollen nicht.

Von Marco Völklein, München

Die radikalsten Blitzerhasser waren in einer Nacht im Februar 2003 unterwegs. Mit einem Trennschleifer hatten sie der Geschwindigkeitsmessanlage an der Tegernseer Landstraße zugesetzt - und den Mast samt Gerät einfach umgesägt. Die Täter wurden nie gefasst; die Anlage selbst wurde aber sicherheitstechnisch aufgerüstet. Seit einigen Jahren meldet ein Bewegungssensor, wenn Vandalen dem Gerät Schaden zufügen wollen.

Tatsächlich gibt es kaum ein anderes Thema, über das sich Autofahrer so erregen können. Für die einen sind die Geschwindigkeitskontrollen ein notwendiges Übel, um die Sicherheit zu erhöhen. Für die anderen ist es nichts anders als "Abzocke" oder "Wegelagerei".

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Zu den größten Kritikern der Anlagen gehört Michael Haberland, der Präsident des Automobilklubs "Mobil in Deutschland" mit Sitz in München. Alle drei bis vier Jahre legt der einen "Blitzeratlas" für die Landeshauptstadt vor und versucht, mit diesem aufzuzeigen, dass gar nicht dort geblitzt wird, wo es der Verkehrssicherheit diene. Sondern dort, wo es für Staat und Kommune am lukrativsten sei.

Als Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Frühjahr 2014 einen "Superblitzer" an der A 99 bei Aschheim in Betrieb nahm, sprach Haberland von einem "Folterinstrument". Die Blitzer in den Münchner Ringtunnels, die Anlage im Aubinger Tunnel, viele mobile Einheiten - aus Haberlands Sicht existiert eine Art "Komplettüberwachung" der Straßen.

"Sondersteuer" oder notwendige Kontrolle?

Für seinen Blitzatlas lässt Haberland jeweils im Frühjahr fünf Wochen lang die Blitzer-Warnungen von vier Münchner Radiosendern erfassen - und stellt dann diesen Daten die Zahlen aus der polizeilichen Unfallstatistik gegenüber. Aus der lässt sich herauslesen, auf welchen Straßen es zu den meisten Unfällen kommt.

Beim letzten Blitzatlas aus dem Jahr 2012 tauchten in Haberlands Statistik nur vier Straßen, die zu den zehn Straßen mit den häufigsten Unfällen zählen, auch in der Liste der zehn Straßen auf, in denen am häufigsten die mobilen Blitzanlagen von Stadt und Polizei stehen. Auf allen anderen Strecken seien die Ordnungshüter mit ihren Kontrollanlagen hauptsächlich unterwegs, um den Autofahrern eine "Sondersteuer" abzuknöpfen, wie Haberland sagt.

Stadt und Freistaat widersprechen. So postiere die Stadt ihre fünf mobilen Blitzer vor allem vor Schulen, Kindergärten und Altenheimen, sagt Johannes Meyer vom Kreisverwaltungsreferat (KVR). Zudem sei man an Unfallschwerpunkten unterwegs und in Straßen, "in denen eine überdurchschnittlich hohe Beanstandungsquote zu verzeichnen ist", wo also besonders oft aufs Gas gedrückt wird.

Unterm Strich spülten die Kontrollen 2015 insgesamt 2,18 Millionen Euro in die Stadtkasse; die Gesamtkosten beliefen sich auf 1,8 Millionen Euro. Letztlich blieb der Stadt also ein "Gewinn" von 380 000 Euro. Auch der Freistaat verteidigt die Blitzer: "Uns geht es nicht um Abzocke", betont Innenminister Joachim Herrmann (CSU), "sondern darum, die Autofahrer zu einem angemessenen Tempo zu animieren".

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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