Prozess nach Kaiserschnitt:"Es ist Substanz zerquetscht worden"

Lesezeit: 2 min

Die sechsjährige Monalie ist ein aufgewecktes Mädchen, doch sie wird wohl nie eigenständig leben können. (Foto: privat)
  • Bei einer Geburt der kleinen Monalie kommt es zu Komplikationen, die Oberärztin ordnet einen Kaiserschnitt an.
  • Doch Monalie wird verletzt, kommt blind und taub auf die Welt.
  • Nun klagen die Eltern, doch ihre Chancen stehen schlecht nach der Bewertung des Gerichtsgutachters.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Im Juni wird Monalie sieben Jahre alt. Dass die kleine Münchnerin sich darauf freuen kann, ist ein Wunder. Denn nach ihrer Geburt im Sommer 2008 war sie blind, taub und es sah so aus, als würde das Mädchen nie eine eigene Persönlichkeit entwickeln können. Etwas schreckliches war bei Monalies Geburt in einer der Münchner Uni-Kliniken passiert. Die Eltern glauben, dass bei der ihrer Meinung nach übereilten Kaiserschnittentbindung Kopf und Brustkorb des Neugeborenen "mechanisch verletzt" worden seien:

"Es ist Substanz zerquetscht worden", sagt der Vater. "Derjenige, der es war, weiß, dass er mit seiner Hand den Kopf eingedrückt hat." Vor dem Landgericht München I wollen die Eltern die damaligen Ereignisse im Kreiß- und Operationssaal aufklären lassen - doch nach derzeitigem Prozessverlauf stehen ihre Chancen eher schlecht.

Monalies Eltern gehören zum typischen Bildungsbürgertum, der Vater ist ein gut verdienenden IT-Manager. Als ihr Kind unterwegs war, wollten sie alles richtig machen und bereiteten sich intensiv auf die Niederkunft vor, hinterfragten jeden Schritt und wogen stets alle Optionen zum Wohle des Ungeborenen sorgfältig ab. Bis zum Schluss sah alles nach einer ganz normalen Geburt aus, auch als die Frau zur Entbindung ins Klinikum kam.

Warum das Kind frühzeitig geholt wurde

Als einige Zeit nach dem Blasensprung die Geburtswehen noch nicht einsetzen, kam die Frau an den Wehentropf. Was dann geschah, lässt sich nur stark verkürzt wiedergeben: Ohne alarmierende Vorzeichen stieg plötzlich die Herzfrequenz des Kindes extrem an, bis zu 195 Schläge in der Minute. Die Oberärztin hatte deshalb energisch einen Kaiserschnitt angeordnet. Während die Medizinerin nun in der Gerichtsverhandlung sagte, die Patientin sei über Indikation und Risiken noch vor dem Eingriff regulär aufgeklärt worden, schilderte der Vater das in der Verhandlung dramatischer: Die Ärztin habe über ihre Entscheidung nicht mehr diskutieren lassen wollen.

Er selbst habe sich zu seiner Frau ans Kopfende des OP-Tisches gesetzt. Wegen eines Sichtschutzes habe er nicht erkennen könne, was passiert. Doch er habe seine Frau richtig festhalten müssen: "Sie haben an ihr gezerrt und gezogen - das war wild." Dann sei mehrmals nach einem Medikament gerufen worden, das offenbar nicht sofort griffbereit gelegen habe. Als das Kind schließlich geholt worden war, sei es schlaff und blutleer gewesen - "und alle Beteiligten waren kreidebleich", sagt der Vater.

Wie der Gutachter die Situation bewertet

Tatsächlich hatte das Neugeborene massive Gehirnblutungen und in der Lunge war ein großes Blutgefäß geplatzt. Das Kind musste reanimiert und mit Blutkonserven versorgt werden. Nur mit extrem viel Einsatz ist es den Eltern, Ärzten und Reha-Spezialisten gelungen, Monalie "ein kleines aufgewecktes Mädchen" werden zu lassen", wie der Vater es ausdrückt. Es gelte aber, die Zukunft des Kindes abzusichern, da es gewiss nie ein eigenständiges Leben werde führen können.

Die Klage beläuft sich vorläufig auf 300 000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz. Der vom Gericht bestellte Sachverständige hält angesichts der extremen Herzfrequenz des Kindes die eilige Schnittentbindung für sachgerecht. Weiter auf die natürliche Geburt zu hoffen, wäre nicht zu verantworten gewesen, meint er. Zu diesem Zeitpunkt habe die Gebärmutter schon dauerhaft gekrampft und sich auch durch Medikamente nicht entspannen lassen. Für die natürliche Geburt lag das Kind noch zu hoch, für die "Entwicklung" durch Kaiserschnitt schon zu tief.

Dieser Fall sei alles in allem "eine absolute Rarität". Aus Gutachter-Sicht haben die Klinik-Ärzte keine Fehler gemacht. Das Gericht wird im Mai das Urteil verkünden. Doch es ließ schon erkennen, dass die Klage kaum Aussicht auf Erfolg habe. Die Eltern sagen, dass die ihrer Meinung nach extrem harte Vorgehensweise des OP-Teams zu wenig durchleuchtet worden sei. Obwohl sie nicht rechtsschutzversichert seien, würden sie deshalb notfalls auch die massive finanzielle Belastung auf sich nehmen und in der nächsten Instanz weiterkämpfen, sagen sie.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: