Prozess in München:"Es bleibt kein vernünftiger Restzweifel"

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Mord verjährt nicht: Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Josef Scheungraber.

A. Krug

Dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Josef Scheungraber droht eine lebenslange Haft. Nach neunmonatiger Verhandlungsdauer und 36 Prozesstagen forderte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag in ihrem Plädoyer, den 90-jährigen ehemaligen Wehrmachtsleutnant wegen 14-fachen Mordes schuldig zu sprechen. "Es bleibt kein vernünftiger Restzweifel", begründete Ankläger Hans-Joachim Lutz seine Forderung. Auch die Nebenklage plädierte auf eine Verurteilung wegen Mordes, verzichtete aber auf ein konkretes Strafmaß.

Angeklagt wegen 14-fachen Mordes: Josef Scheungraber im Schwurgericht. Der Staatsanwalt fordert eine lebenslange Haft. (Foto: Foto: Robert Haas)

Aus Sicht der Ankläger gab Scheungraber im Juni 1944 in Falzano di Cortona (Toskana) als Führer einer Gebirgs-Pionier-Kompanie nach einem Partisanenüberfall den Befehl zu einem Vergeltungsschlag. Bei dieser Aktion wurden insgesamt 14 Zivilisten im Alter zwischen 15 und 74 Jahren getötet. Zehn davon starben in einem Bauernhaus, das die Kompanie mit Dynamit in die Luft sprengte.

"Die Beweisaufnahme ergab, dass Scheungraber dafür verantwortlich ist", sagte Lutz. Es gebe zwar keine Dokumente oder Zeugen für den Nachweis eines direkten Befehls. Doch dies sei auch nicht notwendig. Aufgrund der Befehlsstruktur in der Wehrmacht sei klar, dass der Angeklagte als Kompaniechef in die Befehlskette eingebunden war. Zumal es sich bei den zwei deutschen Soldaten, die bei dem Partisanenangriff getötetet wurden, um Angehörige seiner Kompanie gehandelt habe und ein Foto existiere, das Scheungraber bei der Beerdigung der beiden Kameraden zeigt.

Aufklärung statt "stillschweigende Amnestie"

"Es ist unvorstellbar, dass er die Beerdigung anführte, ohne etwas mit dem Vergeltungsschlag zu tun zu haben", so Lutz. Schließlich gebe es auch etliche Zeugen, die das Massaker entweder selbst gesehen hätten oder vom Hörensagen kannten. Dass ausgerechnet Scheungraber davon nichts wisse, sei nicht nachvollziehbar. "Eine absolute Gewissheit ist nicht erforderlich", so Lutz, "es reicht ein ausreichendes Maß an Sicherheit. Und dieses Maß liegt hier vor."

Anwältin Gabriele Heinecke, die 13 italienische Angehörige der Opfer als Nebenklägerin vertritt, ging mit Scheungraber und seinen Verteidigern hart ins Gericht. Diese hatten das Verfahren als menschenrechtswidrig bezeichnet und eine Einstellung gefordert. "Das ist für die Hinterbliebenen zynisch", meinte Heinecke. Die Anwälte würden sich damit in die Reihe jener einordnen, die in den Anfangsjahren der Republik die "stillschweigende Amnestie" der Kriegs- und NS-Verbrecher betrieben hätten.

"Mord verjährt nicht", sagte Heinecke. Die Hinterbliebenen seien erleichtert, dass dieses Verfahren geführt wurde. "Der Prozess hat bewiesen, dass Aufklärung auch nach 65 Jahren zwar schwer, aber noch möglich ist." Auch sie habe keinen Zweifel, dass Scheungraber den Befehl gab. "Es ist ausgeschlossen, dass er als Kompanieführer in die Befehlskette nicht eingebunden war." Die Aussagen der Zeugen ließen ein Mosaik entstehen, das am Ende nur einen Schluss zulasse: "Er war verantwortlich, er hat das befohlen und durchgeführt." Scheungraber nahm die Anträge ohne äußerliche Regung zur Kenntnis. Die Verteidiger wollen am 24. Juni plädieren.

© SZ vom 19.06.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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