Prozess am Landgericht:Die Giftmischerin von gegenüber

Aus Geldnot bestiehlt eine 29-Jährige zwei benachbarte Rentner - als sie aufzufliegen droht, rührt sie dem Ehepaar ein Schlafmittel in den Joghurt. Vor Gericht gesteht sie und sagt: "Ich wollte sie nicht töten."

Von Katja Riedel

Der ältere Herr kann nur Gutes sagen über die junge Frau, die links von ihm sitzt, zusammengesunken. "Ein freundliches, wohlerzogenes Mädchen" sei "die Magda" gewesen, wie er und seine Ehefrau Nachbarin Magdalena B. nannten. "Magda" und "Sie" - und aus dem Sie sollte sogar bald ein Du werden. Schließlich hatte die nette Nachbarin schon so oft die Post aufbewahrt und im Urlaub die Katze gefüttert. "Eine Vertrauensperson", sagte der ehemalige Ingenieur den Ermittlern der Polizei.

Dass diese Vertrauensperson es war, die ihre EC-Karte abgefangen, mehr als 7000 Euro von ihrem Konto abgehoben und ihnen zuletzt zerbröselte Beruhigungstabletten in den Joghurt gerührt, was leicht hätte tödlich enden können - das wollten ihre Nachbarn bis zuletzt nicht glauben.

Nicht einmal, nachdem feststand, dass sie Opfer eines arglistigen Mordanschlages geworden waren. Dass all diese Vorwürfe der Staatsanwaltschaft der Wahrheit entsprechen, gestand Magdalena B. am Donnerstag zum Prozessauftakt vor dem Landgericht. "Ich wollte sie aber nicht töten", sagte sie. Sicher sei sich aber nicht gewesen, dass sie nicht doch hätten sterben können, räumte die Angeklagte ein.

Seit Mitte 2010 lebten das Rentnerehepaar und die junge Frau aus Polen Tür an Tür. Eine gute Nachbarschaft, mit Plausch im Treppenhaus oder Garten. Zunächst tauschten sie die Briefkastenschlüssel, dann auch die der Wohnungstüren. Und so hatte die zierliche Frau mit den langen schwarzen Haaren nicht nur Zutritt zur Wohnung ihrer Nachbarn, sondern auch ihr Vertrauen. Und das, schrieb sie später aus der Untersuchungshaft in einem Brief, habe sie missbraucht. Ende Februar erwartete das Ehepaar von O. eine neue EC-Karte, trat aber einen Kurzurlaub an und bat, Bescheid zu sagen, wenn diese ankomme.

Magdalena B. sagte nicht Bescheid, informierte die arglosen Eheleute gar, dass noch nichts angekommen sei. Sie nahm die Karte und besorgte sich aus der Schreibtischschublade ihrer Nachbarn den PIN-Code, um sich dann in den folgenden Wochen, in denen diese im Skiurlaub waren, 16 Mal von deren Konto zu bedienen.

Magdalena B. steckte in der Klemme: Anders, als sie ihrem Umfeld erzählte, arbeitete sie nicht in fester Anstellung in ihrem erlernten Beruf als Hotelfachfrau, sondern betreute stundenweise Kinder wohlhabender Sollner Familien. Auf 600 bis 800 Euro sei sie damit durchschnittlich im Monat gekommen - bei einer Miete von knapp 500 Euro und 85 Euro Handykosten sowie einem kostspieligen Lebensstil, für dessen Finanzierung die 29-Jährige dem Gericht keine plausible Erklärung liefern konnte. Taschen von Prada und andere Luxusartikel sorgten im Bekanntenkreis für Gesprächsstoff.

Magdalena B. erfand, um ihren Status zu erhöhen, einen angeblichen Freund, der Zahnarzt sei, und ließ diesen dann fiktiv, um Mitleid zu erregen, tödlich verunglücken. Die EC-Karte der Nachbarn kam Magdalena B. also gelegen. Mit dem Geld finanzierte sie neben einer Tasche der Marke Tod's, die sie für 935 Euro an der Maximilianstraße kaufte, Schuhe, Prada- und Louis-Vuitton-Artikel, einen Flug nach Polen, ein Sofa und Wandfarbe.

Bei der Rückkehr aus dem Urlaub bemerkten die Nachbarn, dass das Geld fehlte, und erstatteten Anzeige. Die Nachbarin nahm regen Anteil an der Aufklärung. Als die sie fürchten musste, auf Videos oder Fotos erkennbar zu sein, habe sie überlegt, ihr Vergehen zu gestehen, behauptete Magdalena B. Doch aus Angst, vor ihrer Familie als Diebin dazustehen, habe sie es nicht geschafft.

Als das Ehepaar abends bei einer Veranstaltung war, ging sie heimlich in deren Wohnung und bediente sich aus dem Medizinschrank. 18 Tabletten eines Beruhigungsmittels nahm sie mit - angeblich, um sich selbst etwas anztun. Weil sie das nicht geschafft habe, habe sie den Plan gefasst, die Tabletten ihren Nachbarn zu verabreichen - im selbstgemachten Joghurt, den die Rentner täglich frühstücken.

Sie holte die Joghurts aus dem Kühlschrank, rührte die Medikamente ein und stellte sie zurück, nicht ohne die Fingerabdrücke zu verwischen. Nach dem Verzehr der Joghurts fielen die Eheleute während eines Gymnastikkurses in eine tiefe Ohnmacht, aus der sie 20 Stunden später auf der Intensivstation erwachten. Nur zufällig hätten sie überlebt, sagte der Richter. "Ich bitte Sie um Entschuldigung", sagte die Täterin am Ende ihres Wiedersehens vor Gericht. "Ich nehme das zur Kenntnis", sagte der Nachbar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: