Petra Reiter:Botschafterin des Oberbürgermeisters

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"Mein Leben ist komplett umgekrempelt worden", sagt Petra Reiter, Ehefrau des Münchner Oberbürgermeisters. (Foto: lukasbarth.com)
  • Petra Reiter ist seit zwölf Jahren mit dem heutigen Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter verheiratet. Für den Job der "First Lady" hat sie ihre Karriere auf Eis gelegt.
  • Sie fremdelt nicht mit ihrer Rolle und vor allem nicht mit den Menschen, die ihr tagtäglich bei Terminen begegnen.

Von Andreas Glas

Ihr neues Leben steckt in einem kleinen Büchlein mit rotem Einband. Ihr neues Leben hat drei Farben. Grün, Rosa und Orange. Neulich hat sie versucht, ihr neues Leben im Handy-Kalender zu ordnen, aber irgendwas ist da schiefgelaufen. Zweimal hat sie sich vertippt, zweimal hat sie einen Termin verpasst. Seitdem schreibt sie wieder in ihr Büchlein, streicht ihre Termine wieder mit bunten Leuchtstiften an. "Mein Leben ist komplett umgekrempelt worden", sagt Petra Reiter, 52, "das will gut koordiniert sein." Sie hat sich ihr neues Leben nicht ausgesucht, aber sie hat es angenommen. "Weil mein Mann mich überzeugt hat, dass es sein Traum ist."

Ihr Mann heißt Dieter Reiter und sein Traum war es, Münchner Oberbürgermeister zu werden. Seit einem Jahr ist Petra Reiter die Frau an der Seite des Oberbürgermeisters. Es ist eine Nebenrolle, aber eine, die ihr rotes Büchlein gut füllt. Die Termine mit ihrem Mann streicht sie grün an, ihre eigenen Termine markiert sie rosa oder orange. "Für mein Auge ist es so einfach schneller zu erfassen", sagt Petra Reiter.

Wie eine Nachbarin, die kurz vorbeischaut

Es ist Freitagnachmittag und es riecht nach Frühling, als sie aus einer schwarzen Limousine steigt. Der Wagen hat verspiegelte Fenster, ihr Fahrer trägt eine verspiegelte Sonnenbrille. Petra Reiter ist nach Laim gekommen, um einer Münchnerin zum hundertsten Geburtstag zu gratulieren. Ein typischer OB-Ehefrauen-Termin, in ihrem Büchlein orange markiert. Der Fahrer öffnet den Kofferraum, greift nach einem Blumenstrauß, drückt ihn Petra Reiter in die Hand, schnappt sich selbst eine schuhschachtelgroße Box, dann marschieren sie los. Hinein ins Backsteinhaus, hinauf in den zweiten Stock - zu einer Geburtstagsfeier bei wildfremden Menschen.

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Zur Wohnungstür rein, Hände schütteln, fünf Schritte durch den Flur, dann steht Petra Reiter zwischen einer Schrankwand und einem Achtzigerjahre-Sofa, auf dem die hundertjährige Anna Korb sitzt. Eine schmale Frau mit kurzem grauem Haar und Perlenkette, zwei Kissen hinter Kopf und Rücken gestopft. Zuerst übergibt der Fahrer die schuhschachtelgroße Geschenkbox, gefüllt mit Käsestangen, Piccolo, Kaffee. Dann fragt Petra Reiter: "Darf ich Ihnen den Brief meines Mannes vorlesen?" Sie setzt sich neben die Jubilarin aufs gemusterte Sofa, öffnet einen Umschlag, zieht einen Brief heraus, liest eine Weile vor und schließt mit dem Satz: "Mit freundlichen Grüßen, Dieter Reiter, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München."

Seit einem Jahr ist sie eine Art Briefträgerin, die Botschafterin ihres Mannes. Sie muss jetzt damit klarkommen, dass es vor allem um ihn geht, nicht um sie selbst. Und sie sagt, dass ihr das eigentlich ganz recht ist: "Ich bin niemand, der die öffentliche Aufmerksamkeit sucht, ich stehe gerne in der zweiten Reihe." Sie sitzt schräg zur Jubilarin, hat die Hände in ihrem Schoß gefaltet, die Augen hellwach auf ihre Gesprächspartnerin gerichtet und fragt: "Sie sind im Westend geboren, stimmt das?" Die Jubilarin nickt. "Dann waren wir ja mal Nachbarn", sagt Petra Reiter. Die Jubilarin lacht. Sie hat ein Gefühl für Menschen, das spürt man sofort. Sie ist vorbereitet, hat sich über die Jubilarin informiert. Sie spricht ein warmes Münchnerisch, setzt ihren Dialekt gezielt ein. Und nach fünf Minuten im fremden Wohnzimmer wirkt es, als wohnte sie gleich nebenan und hätte mal eben auf einen Sprung vorbeigeschaut.

Die Karriere liegt auf Eis

"Ich bin niemand, der fremdelt", sagt Petra Reiter. Sie war ja nie die klassische Ehefrau, die sich zu Hause einlullt, ihr Leben ganz der Karriere ihres Mannes opfert und zweimal am Tag feucht durchwischt. Sie hat selbst Karriere gemacht, war bis vor zwei Jahren Abteilungsleiterin in der Buchhaltung einer Kanzlei. Eben bis der Wahlkampf losging, seitdem arbeitet sie in Teilzeit dort, hat die Chefrolle gegen eine normale Angestelltenrolle getauscht - und gegen die Nebenrolle im Leben ihres Mannes. "Ich kann darauf verzichten, dass ich die Leitung inne habe", sagt Petra Reiter, "aber die Büroluft ist mir wichtig." Also arbeitet sie weiter in der Buchhaltung, zweimal die Woche, zwischen all den grünen, rosa- und orangefarbenen Terminen, die ihr Leben markieren.

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"Darf ich Ihnen ein Stückerl anbieten?", fragt die Tochter der Jubilarin und schneidet die Torte an, die auf dem Wohnzimmertisch zwischen Räucherlachsschnittchen und Salzbrezeln steht. "Eigentlich bin ich auf Dauerdiät", sagt Petra Reiter, "aber bei einer Prinzregententorte, da kann ich nicht Nein sagen." Die Sache mit der Diät müsste sie gar nicht erwähnen, davon konnten ja alle in den Boulevardblättern lesen. Davon, dass sie drei Kleidergrößen abgenommen hat, seit ihr Mann zum OB gewählt wurde. "Münchens First Lady im neuen Look", schrieb die Abendzeitung. Auch das gehört zu ihrem neuen Leben. Dass die ganze Stadt über sie redet, dass die Leute wissen wollen, wer die Frau neben ihrem OB ist. "Mir macht das nichts aus", sagt Petra Reiter, "das gehört dazu."

Das Bild, das die Leute an diesem Freitagnachmittag kriegen, ist das Bild einer liebenswürdigen, herzlichen, engagierten Frau. Einer Frau, die gut angezogen und zurechtgemacht ist. Kirschrote Lippen, kräftiges Wangenrouge, Perlenstecker im Ohr. Sie trägt ein blau-weiß gestreiftes Jäckchen, passend zum Kleid, dazu schwarze Schuhe mit Absätzen. Wenn sie lächelt, verschwindet ihr Gesicht fast hinter den weißen Zähnen. Und sie lächelt oft, eigentlich die ganze Zeit, auch nachdem sie die Geburtstagsfeier verlassen hat und ein paar hundert Meter weiter in einem Straßencafé sitzt. "Das war doch jetzt nett", sagt Petra Reiter. Vergangene Woche habe sie auch schon "zwei so schöne Termine" gehabt, da hat sie zwei alten Ehepaaren zur Eisernen Hochzeit gratuliert, "ganz reizend" sei das gewesen. "Es ist eine Freude, wenn jemand so lange verheiratet ist."

Sie selbst ist seit zwölf Jahren mit Dieter Reiter verheiratet, für beide ist es die zweite Ehe. Sie kennen sich von klein auf, waren Nachbarskinder, sind beide in Sendling groß geworden, beide in einem SPD-geprägten Elternhaus. "Schon damals", erzählt Petra Reiter, "habe ich ihn heimlich etwas bewundert." Dafür, dass er so früh Radfahren und so gut Fußball spielen konnte. "Aber mein Mann ist ja viereinhalb Jahre älter als ich, er hat sich damals natürlich nicht für mich interessiert." Irgendwann haben sie sich dann aus den Augen verloren, haben beide geheiratet und Kinder bekommen. Erst später, als beide zurück nach Sendling zogen, sind sie sich wieder über den Weg gelaufen. "Eine glückliche Fügung" sei das gewesen.

Politisches Amt statt Ruhe

Inzwischen sind die drei Kinder erwachsen und gehen ihre eigenen Wege, es hätte alles ein bisschen ruhiger werden können. "Aber das Gegenteil ist der Fall gewesen", sagt Petra Reiter, "mein Mann ist mit der ganzen Landeshauptstadt München dahergekommen." Aber weil das Oberbürgermeisteramt halt sein Traum gewesen sei, "bin ich da mitgezogen". Dann sagt sie einen Satz, den Politikerfrauen schon vor 60 Jahren gesagt haben. Sie sagt, dass sie ihrem Mann gerne den Rücken frei halte.

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Doch wer glaubt, Petra Reiter sei nur die brav lächelnde Begleiterin, der täuscht sich. Sie weiß genau, wie sie ihre Rolle für eigene Ziele nutzen kann. Und das tut sie auch. Noch bevor Dieter Reiter in den Wahlkampf zog, hat sie eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin gemacht, zweimal die Woche kümmert sie sich um todkranke Menschen: "Es macht mir einfach Freude, wenn ich in der Woche ein paar Stunden mit Menschen verbringen kann, denen ich das Leben ein bisschen erleichtern kann." Das Ehrenamt hat sie sich nicht zugelegt, weil sich das für eine OB-Ehefrau gehört, "das Ehrenamt habe ich mitgebracht", sagt Petra Reiter, die schon als 17-Jährige ehrenhalber im Altenheim gearbeitet hat. Das unterscheidet sie von anderen Politiker-Ehefrauen, das macht sie glaubwürdig. Die Glaubwürdigkeit und ihre neue Bekanntheit macht sie sich nun zu nutze, um für ihr Engagement zu werben. "Jetzt finden wir natürlich mehr Gehör", sagt sie über sich und ihre Kollegen des Christophorus-Hospizvereins.

Kleine Fehler werden weggelächelt

Und die Begleiterrolle? "Daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt", sagt Petra Reiter, aber "anfängliche Schwierigkeiten habe ich sehr wohl gehabt". Zum Beispiel vergangenes Jahr, beim SPD-Dreikönigstreffen, als "wir mit Dschindarassabumm eingezogen sind" und sie glaubte, alle Hände schütteln zu müssen, während Dieter Reiter weitermarschierte und plötzlich ganz allein da stand. "Natürlich war geplant, dass ich an der Seite meines Mannes bis zu seinem Platz mitgehe, aber solche Dinge passieren halt", sagt sie beim Gespräch im Straßencafé. Sie kann darüber lachen.

Dann schaut sie auf die Uhr, es ist kurz vor drei, sie muss jetzt los. Zu ihrem somalischen Patenkind, einem traumatisierten, aber "blitzgescheiten Mädel", dem sie bei den Hausaufgaben hilft. Noch so ein Ehrenamt, das sie seit Jahren macht, sie hatte auch schon Patenkinder aus dem Irak und Afghanistan. Sie verabschiedet sich mit einem Lächeln, ihr Fahrer öffnet die Tür der schwarzen Limousine, dann steigt sie ein. Ihr neues Leben, sagt Petra Reiter, sei "unheimlich aufregend".

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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