Politik:Populär, aber außer Dienst

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"Normalerweise leisten sich einen solchen Streit nur Sozialdemokraten." Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (links) und Alt-Oberbürgermeister Christian Ude zeigten sich am Montagabend verwundert über den aktuellen Machtkampf in der Union. (Foto: Stephan Rumpf)

Wenn Christian Ude und Sigmar Gabriel ins Plaudern kommen

Von Jan bielicki, München

Das Wetter lockt in den Biergarten, im Fernsehen fußballt es. Und doch sind 250 Menschen gekommen in die Räume der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, sieben Euro hat jeder von ihnen bezahlt, um zwei Politikern zuzuhören, die dazu noch Sozialdemokraten sind - gut, Ex-Politiker sind sie inzwischen, die beiden, die sich da gemütlich auf zwei Ledersessel setzen.

Die Volkshochschule hat eingeladen, als Gastgeber fungiert Alt-Oberbürgermeister Christian Ude, der Gast verrät, dass er noch einen gültigen Arbeitsvertrag als Dozent im Bildungswerk Niedersächsischer Volkshochschulen hat. Der allerdings ist unterbrochen, denn inzwischen hatte Sigmar Gabriel ja zu tun als Abgeordneter, Ministerpräsident, als Umwelt-, Wirtschafts-, Außenminister, als Vizekanzler und als SPD-Vorsitzender - zuletzt von den eigenen Parteifreunden nicht mehr im Kabinett gewollt, obwohl er doch "in fast allen Umfragen der populärste" Sozialdemokrat gewesen sei, preist der Parteifreund Ude. Solche Popularität verleihe eine "gewisse innere Unabhängigkeit, das mag die Sozialdemokratie gar nicht", spöttelt Ude, und man darf annehmen, dass er damit gerne den Genossen Gabriel lobt, ein bisschen aber auch sich selber.

Das ist aber vorerst genug der Sottisen über die SPD. Gabriel ist in erster Linie in seiner Eigenschaft als Ex-Außenminister da und tourt, was Ex-Außenminister gerne tun, einmal um die problembeladene Welt, von Korea über die Trump-USA, Syrien, Russland zurück nach Europa, Italien und Deutschland. Tenor der unterhaltsam staatsmännischen Tour: In Zeiten, in denen alles unsicherer werde, müsse Deutschland mehr Verantwortung übernehmen. Oder in Gabriels Worten: Die Welt sei "verdammt vollgestopft mit Fleischfressern", da "können wir nicht mehr die letzten Vegetarier sein" - wobei er nicht als Befürworter ungebremster Militärinterventionen missverstanden werden möchte: "Flexitarier" sollten die Deutschen sein.

Womit die beiden wieder daheim sind, und beim "irren" (Gabriel) Streitschauspiel, das die beiden C-Koalitionspartner gerade bieten. Zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer werde nicht um die Sache, sondern "um den Platz in den Geschichtsbüchern gestritten", interpretiert Gabriel den Machtkampf in der Union. Es eskaliere der nicht geklärte Dissens in der Gesellschaft über die Flüchtlingspolitik seit 2015, der unionsintern zu einem Machtkampf missbraucht werde. Der Sozi sieht es staunend: "Normalerweise leisten sich einen solchen Streit nur Sozialdemokraten." Dann muss er zum Flieger nach Hannover, ein Elder Statesman hat anderntags Pflichten: auf die jüngste Tochter aufpassen.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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