Poesie:Vom Gestern ins Heute

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Antonia Lunemann tritt seit zwei Jahren regelmäßig bei Poetry-Slams auf. Die 21-Jährige stammt aus Hohenbrunn, sie besucht derzeit die Schauspielschule in München. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Poetry-Slammerin Antonia Lunemann hat der Zukunft des Landkreises einen Text gewidmet - und wirft darin auch Fragen ans Jetzt auf.

Zukunftsvision. Ich habe sowas noch nie geschrieben,

aber irgendwie doch schon viel darüber nachgedacht.

Nur nicht so bewusst.

Doch glaube ich, das ist eigentlich menschlich,

denn wahrscheinlich wird bei diesem Thema in jedem Menschen irgendwas entfacht.

Denn jeder hat irgendwie eine Zukunftsvision in sich.

Und wahrscheinlich jeder eine andere.

Wahrscheinlich jeder mehrere.

Wahrscheinlich ganz verschiedene.

o

Weil fragst du mich heute, wie wars eigentlich damals,

sag ich wahrscheinlich: anders als jetzt.

Fragst du meine Oma,

wie wars eigentlich damals,

sagt sie wahrscheinlich: ganz sicher anders als jetzt.

Fragst du mich heute wie isses in 20 Jahren,

sag ich ja wahrscheinlich anders,

aber das ist nur geschätzt.

Denn wer weiß das schon.

Gut, dass liegt wahrscheinlich in der Sache der Natur, die Veränderung.

Und manches geht schief und anderes ist gelung.

Und unsere Urvorfahren,

die würden wahrscheinlich nicht mehr klar kommen in unserer Welt,

denn während die sich noch abgemüht haben auf irgendnem Feld,

hat sich Sam doch schon längst sein Essen bei "foodora" bestellt.

Wahrscheinlich ist unsere Welt wirklich schnelllebig geworden,

wahrscheinlich ist das nicht nur immer so dahingesagt.

Und ich glaub ich schreib das hier grad,

weil ich mich selber frag,

was Veränderung denn genau ist.

Oder die Zukunft. Und an was man das denn misst.

Denn irgendwie heißt es ja immer, früher war alles besser,

aber das liegt immer im Auge des Betrachters,

denn früher ist für jeden wann anders.

o

Und die Technik wird wahrscheinlich noch ganz schön abgefahren,

da ist unser iPhone heute old school in 20 Jahren.

Und die Autos können alleine fahren.

Und um damit auf die Zukunft zu kommen - das ist woran ich dabei denke.

Wie sich das wohl entwickelt und an was ich mich und meine Zeit verschenke.

o

Und es geht ja hier um München,

die Stadt in der ich geboren bin.

Und meine Vision davon wäre, in dieser schönen Stadt wieder ein

bisschen mehr Gemeinschaft zu gewinnen.

Durch die Straßen zu gehen und zu sehen wo wir eigentlich sind,

Und das zu genießen was wir haben.

"Instagram" nutzen um Kontakt mit Freunden zu halten, die grad durch die Weltgeschichte fliegen,

aber trotzdem dann mal so ganz echt mit Freunden an der Isar zu liegen.

Kleine Cafes zu eröffnen, die NUR dafür sind, mit Freunden an einem Tisch zu sitzen,

und ich fänd es schön, wenn alle so bisschen auf alle schauen und nicht allein durch ihr Leben flitzen.

Egal ob jung oder alt, ganz egal, einfach miteinander, weil das gibt doch den wirklichen Halt.

Wieso nicht all den Luxus den wir haben wirklich nutzen mit allem was geht,

mit Schulen die für alle passen und mal wieder mehr ins Theater gehen,

da gibts keine gefakte Realität.

Und ich fänds cool, wenn man auf ner "Poetryslam-Bühne" steht, mim Blatt in der Hand und nicht mim Handy,

und n Buch liest mit nem Einband in der Hand.

o

Ich hab schon viel nachgedacht, über diesen Satz,

früher war alles besser.

Ich glaube nicht,

dass früher alles besser war,

nur, dass man vielleicht manches noch mit anderen Augen sah.

Ja, genau, noch so richtig mit den Augen sah.

Ich glaub, das haben wir heute ein bisschen verlernt,

zu sehen und unser Gegenüber so richtig zu verstehen.

Da wird so viel vertuscht,

durch Fotos und durch Internet,

durch Selbstdarstellung und "All-Net-Flat",

durch Stress und durch Ehrgeiz

und manchmal durch nicht "einfach nur leben",

nicht die Dinge die wirklich zählen,

sondern die die in unseren Augen wichtig sind bestreben.

o

Das würde ich mir für die Zukunft wieder mehr wünschen,

die Ausgeglichenheit,

das was uns "fangen" könnte zu nutzen,

aber anderes auch, was uns wieder befreit.

Und uns mehr das Leben spüren lässt,

im Hier und im Jetzt.

Und vielleicht ist das schon irgendwie ne Redewendung geworden,

aber vielleicht können wirs diesmal oder für die nächsten Jahre ernst nehmen und was Neues draus formen.

Und vielleicht den Lauf der Dinge einfach trotzdem akzeptieren,

darin bin ich zum Beispiel nicht so gut.

Man kann vieles kritisieren,

aber genauso das Gute darin reflektieren

und einfach schauen, was dann passiert.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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