Pläne für saubere Luft:Bezirksregierung prüft Tempo 30 für München

Der Luftreinhalteplan für München ist zu lasch. Das Verwaltungsgericht drängt Stadt und Freistaat deshalb zu weiteren Maßnahmen für saubere Luft. Die Umwelthilfe fordert eine Erweiterung der Umweltzone. Doch die Bezirksregierung spielt eine andere Maßnahme durch: Tempo 30 - allerdings nicht überall in der Stadt.

Marco Völklein

Im Streit um die Münchner Umweltzone haben der Freistaat und die Stadt München eine schwere Schlappe vor dem Verwaltungsgericht erlitten. Die Richter verdonnerten den Freistaat und die Stadt dazu, den Luftreinhalteplan, in dem die Umweltzone festgeschrieben ist, nachzubessern. Es müsse "irgendetwas geschehen", damit die Grenzwerte bei Feinstaub und Stickstoffdioxid eingehalten werden, sagte der Vorsitzende Richter und Gerichtspräsident Harald Geiger.

Im Jahr 2011 hatte die Stadt die Hürden "an etlichen Messstellen gerissen", sagte Geiger. Solange die Grenzwerte und Vorschriften der Europäischen Union gälten, "müssen sie auch eingehalten werden". Allenfalls durch Änderungen der Vorgaben auf europäischer Ebene könne dies anders bewertet werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen M 1 K 12.1046). Wahrscheinlich ist, dass der Freistaat in Berufung geht.

Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die 2005 zusammen mit dem heutigen Grünen-Landeschef Dieter Janecek mit einer Klage die Aufstellung eines Luftreinhalteplans angeschoben hatte. Neben der Umweltzone (weitere Infos...)sah der auch ein Lkw-Durchfahrtsverbot und strengere Regeln für Heizungen vor.

Das aber reicht den Umweltschützern nicht. "Sie tun schlicht zu wenig und sie tun es zu spät", hielt DUH-Anwalt Remo Klinger dem Freistaat und der Stadt vor. Er forderte unter anderem eine Ausdehnung der Umweltzone über den Mittleren Ring hinaus und den Einbau von Busfiltern, die nicht nur den Ausstoß von Ruß und Feinstaub vermindern, sondern auch den von Stickstoffdioxid.

Das Gericht gab Klinger im Grunde Recht - das Gesetz verpflichte Stadt und Freistaat dazu, die Grenzwerte einzuhalten. Einen "Anspruch auf bestimmte Maßnahmen" habe die DUH aber nicht, sagte Gerichtspräsident Geiger. Vielmehr sei es die Aufgabe des bayerischen Umweltministeriums sowie der Stadtverwaltung, nun Maßnahmen zu ergreifen.

Derzeit arbeitet die Regierung von Oberbayern zusammen mit der Stadt an einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans. Peter Bernhard von der Bezirksregierung kündigte als eine mögliche Maßnahme Tempo 30 auch auf großen Straßen an. Weitere mögliche Eingriffe würden geprüft, seien aber "noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt".

Für DUH-Anwalt Klinger bringt ein solches Tempolimit allerdings "nur minimalste Verbesserungen". Weitergehende Schritte seien nötig. Grünen-Landeschef Janecek sprach sich zusammen mit dem Bund Naturschutz unter anderen für eine City-Maut, weitere Parklizenz-Zonen, die Förderung des Rad- und des Fußgängerverkehrs sowie den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs aus.

Letzteres forderte auch die Rathaus-FDP, allerdings mit "sinnvollen und finanziell vertretbaren Maßnahmen", also ohne den geplanten zweiten S-Bahn-Tunnel. Außerdem will sie "den Individualverkehr durch weitere Tunnel bündeln".

Feinstaubbelastung über EU-Grenzwert, 2005

Hohe Belastung: ein Feinstaub-Messgerät an der Landshuter Allee in München.

(Foto: ddp)

Axel Friedrich, ehemaliger Leiter der Verkehrsabteilung im Umweltbundesamt und Fachbeistand für die DUH vor Gericht, regte zudem ein "Bürgerticket" für München an. Die Idee: Jeder Münchner wird zum Abonnement einer MVV-Monatskarte verpflichtet. Weil alle Bürger diese Karte kaufen müssen, kann das Ticket wesentlich günstiger sein als heutige Monatskarten, sagt Friedrich.

Für Hamburg hat der Verkehrsplaner das Modell gerade durchgerechnet. Dort komme das Bürgerticket auf 12 Euro monatlich. "In München würde sich das in einer ähnlichen Größenordnung bewegen", sagt Friedrich. "Hier kostet es vielleicht ein oder zwei Euro mehr."

In seiner Entscheidung stellte das Gericht zudem klar, dass der Umweltverband zur Klage berechtigt ist. Bis vor kurzem hatten Umweltschützer immer erst einen Betroffenen suchen müssen, der sein Recht auf reine Luft oder weniger Lärm vor Gericht geltend machte. Erst durch jüngste Urteile auf EU-Ebene hat sich das geändert - und wurde nun vom Münchner Gericht bestätigt. "Für Umweltjuristen ist das revolutionär", sagt Klinger.

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