Pläne für die Isar:Auf zu neuen Ufern

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Jetzt mal ganz ohne Zwänge, ohne Denkverbote: Was könnte man eigentlich an der Isar anstellen? Architekturstudenten aus München machen aus dem Großstadt-Fluss eine Kunst-Utopie.

Anne Goebel

Gleich am Eingang zum Kulturstrand gibt es eine Botschaft an die Besucher: Bitte alle entspannen, hier werden die Dinge mal ganz unmünchnerisch unfrisiert gesehen.

Baden und sonnen am Fluss: Im Rahmen der Ausstellung "Isar Open" haben Studenten Konzepte für die innere Isar entwickelt. (Foto: TU München)

Zur charmantesten Erholungszone der Innenstadt mit Musik, Buddelsand und Café frappé am Vater-Rhein-Brunnen empfängt ein grob gepixeltes Plakat, auf dem Räume und Zeiten ineinanderfließen. Schiefe Frauentürme, Kokospalmen, nostalgische Badeschönheiten mit Bubikopf - dazu passt die lässige Liegestuhl-Atmosphäre unter Linden und Kastanien. Und die neue Ausstellung.

Isar Open" ist eine Sammlung von Entwürfen angehender Architekten zur (Um-)Gestaltung der innerstädtischen Isar, und vorsichtshalber haben die Veranstalter der Schau die Ideen als "Visionen" bezeichnet.

Man sollte also nicht bei jedem der Wunschbilder, die da im Freien als wetterfeste Plakate zwischen die Bäume gespannt sind, ganz streng an die Machbarkeit denken. Andererseits fand Stadtbaurätin Elisabeth Merk bei der Eröffnung am Dienstagabend nur Lob für die Dynamik und Kühnheit der Konzepte - offenbar werden sie als Anregung verstanden, und das kann nur gut sein.

Eines ist allen Modellen gemeinsam: Stadt und Fluss, Land und Wasser rücken näher zusammen. Das geschieht durch schnödes Auslichten der "Ufergehölze", um Blickachsen zu schaffen, bis hin zu ufernahen Bassins oder waghalsigen Stegkonstrukten für Spaziergänge über der Wasseroberfläche.

Die Architekturstudenten von Kunstakademie, Technischer Universität und Hochschule scheint es zu faszinieren, die nixenhaft grüne Isar als Wasserherz der Voralpenstadt München in Szene zu setzen.

Unter dem Motto "Isar Waterfront" haben zum Beispiel Studierende der Akademie Gehäuse aus knallig gelb lackiertem Stahl skizziert, die an Brücken oder Wehre "geklammert" und mit gläsernen Boxen ausgestattet werden. Darin könnten, über dem fließenden Wasser schwebend, Kioske, Galerien oder "schwimmende Rückzugspunkte" Platz finden.

Überhaupt taucht der bewahrenswerte Ökoraum Isar als Möglichkeit zur Abkehr von der nervösen Metropole immer wieder auf. Etwa in einem sandfarbenen Pavillon auf der Kiesbank neben dem Kabelsteg, der durch Lamellentüren Licht und die Geräusche der Natur eindringen lässt.

Auch eine Idee: ein Freibad bei der Muffathalle. (Foto: TU München)

Oder der anthroposophisch anmutende "Raum der Stille", eine pilzartig gewölbte Betonhöhle beim Wehrsteg, der vielleicht als Meditationsort für aggressive Kampfradler oder ruhebedürftige Großstadthipster in Frage käme - eher eine Spielerei. Wobei die Vorstellung, es brauche an Münchens Fluss einen Gegenpol zum "Ballermann Flaucher" schon wieder amüsant ist.

Dass es vom abgefahrenen Entwurf zur Umsetzung manchmal nicht weit ist, zeigt Anna Bischoffs geschlängelter roter Sitzwurm auf dem "Kulturstrand"-Gelände - die Textilschlange war Sieger des Wettbewerbs "Isarlust" zur künftigen Gestaltung des Areals.

Bischoffs Skizzen hängen auch in der aktuellen Ausstellung, weil die Initiatoren in beiden Fällen die selben sind mit dem Verein "Urbanauten" und dem Stadtplanungsreferat. Sie verstehe, hat die Preisträgerin geschrieben, ihr Projekt als "ironische Geste" in einer Stadt, die oft allzu "hübsch, brav und ordentlich" aussehe.

Eine These, die auch zu weiteren Ideen von "Isar Open" passt. Zum Beispiel den frei flottierenden Flößen aus Fichtenholz bei der Corneliusbrücke, die als gelb bespannte Pontons nichts mehr mit den touristischen Bierfahrten zu tun haben, sondern "Caféservice für Jogger" offerieren. Die "Lichtwolke Isarlights" ist ein Flugkörper aus Heliumballons, der nachts die Museumsinsel psychedelisch illuminieren soll, "Rive Gauche" träumt vom Flanieren unter Bäumen auf Wasserniveau.

Für die Diskussion um den möglicherweise flussnahen neuen Münchner Konzertsaal schließlich hat der Nachwuchs ebenfalls ein paar Vorschläge parat. Die "Isarphilharmonie" liegt mal an der äußersten Nordspitze der Museumsinsel, mal ist sie in Form eines Riesenschiffs "an einem steinernen Dock vertäut" - wer weiß, womöglich sind es ja solche versponnen Ideen, die der Debatte neue Impulse geben.

Eine der verlockendsten Phantasien haben die Erfinder des Freibads "Zur Isar" entwickelt. Für Sicht aufs Wasser wollen sie "Gehölzvegetation" opfern, was kein Umweltschützer je dulden würde - aber ihr Flussbad mit zwei großen Isarwasser-Becken zwischen Muffathalle und Vater-Rhein-Grünanlage hat Charme.

Ein Holzsteg verbindet die beiden Bereiche, in den Wellen treiben die Badenden in großen gelben Schwimmreifen: So sieht das auf den Skizzen aus, sehr sommerlich heiter. Bevor es Proteste hagelt - ist ja nur eine Idee. Wie heißt es auf dem Kulturstrand-Plakat? "Hingeträumt von den Urbanauten".

© SZ vom 12.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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