Klosterschwestern:"Die Pasinger waren nie rückwärtsgewandt"

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Die Ordensschwestern Anne Russ (li.) und Ruth Reißig sind Gastgeberinnen einer Kunstaktion. (Foto: Florian Peljak)

Die Klosterinsel wird zum Ausstellungsort: Zwei Ordensfrauen der Congregatio Jesu sprechen über den Wandel und die Kunst

interview Von Jutta Czeguhn, Pasing

Wie eine Ausflugsgesellschaft stehen die acht Ordensfrauen vor einer weißgrauen Kachelfassade und lächeln verhalten in die Kamera. Wer auch nur ein wenig Ortskenntnis besitzt, errät rasch, wo die Schwestern von der Congregatio Jesu Aufstellung genommen haben: vor den Pasing Arcaden. Sie ließen sich überreden, bei einem Fotoprojekt von Edward Beierle und Jutta Görlich mitzumachen und sind nun auch die Gastgeber an einem nicht ganz alltäglichen Ausstellungsort. An diesem Wochenende, 4. und 5. Juli, sind die Arbeiten von Beierle und Görlich, die Vertreter unterschiedliche Pasinger Vereine und Institutionen in den Arcaden fotografiert haben, auf der Würminsel im Klostergarten zu sehen. Gespannt auf die Schau sind die beiden Klosterfrauen Ruth Reißig, 76, und Anne Russ, 58.

SZ: Wie wurden die Klosterschwestern Teil des Kunstfestivals "Pasing by"?

Schwester Ruth: Herr Beierle und Frau Görlich haben mich angerufen. Ich sagte, das kann ich nicht allein entscheiden, ich muss erst die Mitschwestern fragen. Sieben von ihnen erklärten sich bereit, mitzumachen. Es gab dann drei Aufnahmen mit uns, die Arcaden wurden dazu extra an einem Sonntag geöffnet.

Schwester Anne: Ich habe da gestreikt. Das Projekt erscheint mir wie Reklame für die Arcaden, da wollte ich nicht dabei sein.

Schwester Ruth: Wenn ich den Sinn des Projekts - es heißt "Insel im silbernen Fluss" - richtig verstanden habe, geht es um die Versöhnung von Altem und Neuem. Wir hier stehen für das alte Pasing, das Institut der Englischen Fräulein gibt es an diesem Ort seit mehr 150 Jahren.

Sie beide leben seit etwa sechs Jahren hier im Altersheim ihres Ordens. Das ist in etwa die Zeitspanne, in der sich Pasing sehr verändert hat. Wie haben Sie diesen Wandel wahrgenommen?

Schwester Anne: Ich genieße vor allem, dass der Bahnhof barrierefrei umgebaut wurde. Ich sitze im Rollstuhl. Früher musste ich den Lastenaufzug benutzen, das war sehr umständlich. Jetzt gehöre ich zum Personenverkehr, werde nicht mehr wie eine Last behandelt.

Bewegen wir uns Richtung zum Marienplatz, der ja auch umgestaltet wurde, die Mariensäule wurde verrück t . . .

Schwester Ruth: Als ich hier ankam, fuhr die Tram noch um die Mariensäule, zu der wir eine besondere Beziehung haben, eine Kopie der Statue steht auf unserer Klosterinsel.

Schwester Anne: Damals kam die Säule besser zur Geltung. Der Marienplatz hat meines Erachtens verloren. Es fehlen Bäume, die Schatten spenden, und Sitzgelegenheiten. Allerdings wurde die Statue schön restauriert, und sie wird nachts wunderbar angestrahlt.

Zum Umbau Pasings gehören Kunstprojekte im öffentlichen Raum, das Festival "Pasing by" ist der Abschluss. Wie gefällt Ihnen die schon entstandene Kunst ?

Schwester Anne: Der Wolkentunnel im Bahnhof ist sehr schön, vorher war dort ein dunkles Loch, unheimlich. Und der andere Tunnel, mit dem Pasing-Panorama von Martin Blumöhr, gefällt mir auch gut. Die Klosterinsel kommt auch vor.

Schwester Ruth: Der Brunnen bei den Arcaden ist sehr gelungen, vor allem Kinder haben dort viel Freude.

"Pasing by" soll die Aufmerksamkeit auf das Zentrum lenken, weil sich vieles Richtung Arcaden und Bahnhof verlagert hat. Wird das glücken mit einer einwöchigen Aktion?

Schwester Anne: Ich bin nicht sicher. Und befürchte, dass bei den Aktionen Pasings Geschichte in den Hintergrund gerät. Das Kopfmillerhaus etwa bekommt eine Wandarbeit, die an Origami erinnert. Aber werden die Leute erfahren, was dieses Kaufhaus für Pasing einmal bedeutet hat? Vieles im Zentrum ist austauschbar geworden. Wenn ich in Erlangen an den Arcaden vorbeifahre, dann ist wohl dort das Gleiche drin wie hier in Pasing.

Schwester Ruth: Trotzdem glaube ich, dass bei so einer Kunstaktion das Alte mit dem Neuen verbunden und Wehmut abgebaut wird. Es geht darum, ein positives Licht auf den Wandel zu richten, der notwendig war. Und historisch gesehen muss man doch sagen: Die Pasinger waren immer aufgeschlossen für Neues, nie rückwärtsgewandt. Hier wurde im 19. Jahrhundert ein Bahnhof gebaut, hier siedelten sich große Fabriken an, später Ärztehäuser. Hier hat der Fortschritt immer eine Rolle gespielt.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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