Oktoberfest: Terrordrohung:Zwei Münchner in Polizeigewahrsam

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Zwei Münchner wurden wegen der Terrorgefahr beim Oktoberfest in Polizeigewahrsam genommen. Die Gründe sind nebulös.

Hans Leyendecker

Der Münchner Architekt ist Mitte 30. Er stammt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus, ist verheiratet und hat Kinder. Mitte der neunzige Jahre ist er zum Islam konvertiert, was ihm in diesen Tagen die Aufmerksamkeit des bayerischen Verfassungsschutzes verschafft.

Am Morgen des 22. September wurde er auf der Straße von einem Beamten des Bundesnachrichtendienstes angesprochen, der unbedingt erfahren wollte, was der Konvertit von einem der Drohvideos der Islamisten gegen Deutschland halte. Er habe den Film nicht gesehen, aber im Internet darüber gelesen, lautete die Antwort des Mannes. So einfach ließ sich der Verfassungsschützer aber nicht abspeisen. Der Architekt solle sich doch unbedingt das Video anschauen, insistierte er. Er wolle wissen, wie ernst es zu nehmen sei. Schließlich sei der Gegenüber ja Konvertit, also vom Fach.

Der irritierte Münchner zitierte den CSU-Politiker Peter Gauweiler, den er neulich bei einer Wahlkampfveranstaltung gesehen habe. Gauweiler habe gesagt, die "Sicherheit Deutschlands werde in der S-Bahn und nicht am Hindukusch verteidigt". Auf die abschließende Frage des Nachrichtendienstlers, ob das Münchner Oktoberfest gefährdet sei, sagte der Architekt: "Wahrscheinlich". Ist aus der eher flapsigen Meinungsäußerung ein Detail einer Lagebeurteilung geworden?

Zu der Wahlkampfveranstaltung Gauweilers war der Architekt mit Hatem M. gegangen, der in einer der Münchner Moscheen bei den jungen Leuten das große Wort führen soll. Hatem M. wurde voriges Wochenende ebenso wie der Marokkaner Marouane S. "im Zusammenhang mit der aktuellen Gefährdungslage" (Amtsgerichts-Beschluss) bis zum 5. Oktober in Polizeigewahrsam genommen.

Dann ist das Oktoberfest vorbei und die Wiesn in immerhin zwei Terrorbotschaften "konkret erwähnt" worden. Möglicherweise fühlten sich die beiden Festgenommenen aufgerufen, Anschläge zu begehen. Sie seien in ein "islamistisch, extremistisch-terroristisches Personenspektrum eingebunden".

"Was ist ein solches Personenspektrum?", fragt die Anwältin Ricarda Lang. Ihr Mandant, Marouane S., steht auf keiner Gefährder-Liste. Er war in keinem Terrorcamp, ist aber streng religiös. Auch hat er einen Bruder, der angeblich vor sechs Jahren gemeinsam mit Hatem M. in Bonn Bekkay Harrach getroffen haben soll.

Das ist jener Harrach, der jetzt zum Kampf gegen die Deutschen aufrief. Marouane S. , ein echter Informatikstudent mit guten Noten, sagt, er sei Harrach nie begegnet. "Ein direktes Kennverhältnis" könne "nicht belegt werden, heißt es in einem Papier des Staatsschutzes, sei aber "aufgrund des Näheverhältnisses" wahrscheinlich.

Marouane S., sei im September observiert worden und dabei sei aufgefallen, dass er "aufmerksam seine Umgebung" auf "mögliche Verfolger" geprüft habe. Es sei ihm einmal sogar gelungen, seine Verfolger abzuschütteln. S. erzählt die Geschichte anders. "Ich habe keine Kontakte zu Harrach. Ich kenne ihn erst" aus dem Internet. Die Beamten hätten sich auffällig benommen.

Unter Muslimen gibt es die Furcht vor dem langen Arm des amerikanischen Geheimdienstes CIA. Marouane S. hatte vor seiner Festnahme die Polizei um Hilfe gebeten. Gegenüber seiner Wohnung würden sich verdächtige Gestalten aufhalten, teilte er den Beamten mit. Das waren die Leute vom Staatsschutz.

Ein Konvertit soll Experte für die allgemeine Terrorlage sein, ein Student gerät vor allem ins Visier, weil sein Bruder einen Islamisten kennen soll. Wer in der falschen Moschee betet, macht sich verdächtig. Es sind aufgeregte Zeiten.

© SZ vom 02.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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