Neuer Reiseführer:Haidhausen für Haidhauser

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Absonderliche Geschichten, versteckte Denkmäler und viele Übersichtskarten: Martin Arz schreibt Reiseführer für Münchner. Nun ist ein Buch über Haidhausen erschienen, das auch Alteingesessene überraschen dürfte. Nörgeln kann man trotzdem.

Von Jakob Wetzel

Haidhausen hat schon viel erlebt. Die Geburtsstunde Münchens zum Beispiel: 1158, als Herzog Heinrich der Löwe die Stadt an der Isar gründete, war Haidhausen bereits 350 Jahre alt. Doch mit der neuen Nachbarstadt wurde alles anders. Durch die "Häuser auf der Haide" zogen fortan Händler auf der Salzstraße. München benötigte Ziegel für Häuser, Wehranlagen und Kirchen, der Lehm dazu wurde zum großen Teil aus dem rechten Isarhochufer gegraben. Neben den Ziegeleien siedelten arme Lohnarbeiter.

Später wurde aus dem Glasscherben- ein Szeneviertel, ein Stadtteil der Kreativen: das Schwabing der Achtzigerjahre, so nennt es der Autor Martin Arz in seinem neuen Stadtteilbuch "Haidhausen - Reiseführer für Münchner": "Wer jung und hip war, oder sich zumindest dafür hielt, der zog hierher." Bis das Viertel für Künstler und Studenten zu teuer wurde. Wer heute nach Haidhausen zieht, der muss es sich leisten können.

Die Vergangenheit Haidhausens spiegelt sich an vielen Orten im Viertel, angefangen bei den alten, "Herbergen" genannten Gemeinschaftsunterkünften für Arbeiter, die heute umgeben sind von Gaststätten und Biergärten. Da sind Kleinkunstbühnen und Kaffeehäuser, Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg oder auch der Schauplatz von Münchens allererster Öko-Sanierung: ein Wohngebäude in der Pariser Straße.

Wer den Reiz Haidhausens erkunden will, dem gibt der "Reiseführer für Münchner" mehrere Übersichtskarten an die Hand. Weite Strecken sind dabei die Ausnahme, denn besonders im Westen des Stadtteils findet Arz in jeder zweiten Straße Erzählenswertes.

Bekannte Sehenswürdigkeiten wie die Villa Stuck beschreibt er ebenso kurzweilig und souverän wie versteckte Brunnendenkmäler oder die spärlichen Hinterlassenschaften längst abgerissener, alter Landschlösser. Daneben erläutert er Hintergründe wie das Entstehen der Bierkeller auf dem Isarhochufer oder die Arbeitsweise der Haidhauser Ziegeleien, und er findet Raum für kuriose Anekdoten oder auch prominente Haidhauser Kriminalfälle.

Die 130 Seiten des Buches füllt Arz mit knappen und präzisen Informationen, und doch beschreibt er Haidhausen so mitreißend und detailverliebt, dass auch der Leser daheim im Ohrensessel den Reiz des Viertels erahnen kann.

Freilich: Wer nörgeln will, der findet ebenfalls Grund dazu. So hätten den Übersichtskarten im Buch Legenden gut getan. Sehenswürdigkeiten sind hier allein mit Ziffern markiert - ein Zahlenrätsel, das erst in den Überschriften auf den folgenden Seiten aufgelöst wird. Zudem haben sich vereinzelt Fehler eingeschlichen - etwa wenn Arz erklärt, das Kartoffelmuseum in der Grafinger Straße sei das weltweit einzige Museum, "das sich ausschließlich dem Nachtschattengewächs aus Südamerika widmet". Tatsächlich gibt es mehr als ein halbes Dutzend Kartoffelmuseen, einzigartig am Münchner Exemplar ist allenfalls der kunsthistorische Ansatz.

Und wer einen echten "Reiseführer für Münchner" erwartet, der wird praktische Informationen wie die Öffnungszeiten der besprochenen Museen vermissen. Wer einen Tisch in einer Gaststätte reservieren möchte, der sucht ebenfalls vergebens nach einer Telefonnummer, auch in den "Service"-Abschnitten des Buches mit ihren äußerst knapp kommentierten Listen von Cafés, Gaststätten, Klubs, Läden und Kinos. Die einzige Telefonnummer im Buch findet sich auf einer der letzten Seiten: Sie gehört erstaunlicherweise der Geschäftsstelle des Bezirksausschusses für den Stadtbezirk Au-Haidhausen.

Wer auf derartige Service-Informationen verzichten mag, der findet im "Reiseführer für Münchner" eine Fülle von besonderen und absonderlichen Geschichten, die zuweilen auch Alteingesessene überraschen dürften: Zum Beispiel über das "Fischerbuberl", eine nackte Brunnenfigur, die Markthändler auf dem Wiener Platz verärgerte, weil keiner auf den Hintern der Statue blicken wollte. Oder über den TSV München-Ost in der Schleibingerstraße, der mangels Turnhalle in einem Bierkeller trainierte. 1906 unterhielt der Verein eine der ersten Turnabteilungen für Damen.

Der "Reiseführer für Münchner" durch Haidhausen ist Teil einer neuen Stadtteil-Reihe, die in zwei Münchner Verlagen erscheint. Arz selbst veröffentlichte zuletzt Bücher über die Maxvorstadt und die Isarvorstadt. Stadtteilführer durch die Au und das Westend sind bereits angekündigt, weitere in Planung.

Martin Arz: Haidhausen - Reiseführer für Münchner. Hirschkäfer Verlag, 16,90 Euro.

© SZ vom 07.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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