Nachruf:Ein Leben im Mitklatsch-Takt

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Der Hit „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ machte Jürgen Marcus 1972 berühmt. (Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Schlagersänger Jürgen Marcus ist im Alter von 69 Jahren an einem chronischen Lungenleiden in München gestorben

Von Karl Forster, München

Er war der Gute, der Brave, der Schöne. Und er war von sich überzeugt. "Ich bin ein Genie, und ich glaube an Gott", singt Claude Hooper Bukowski in "Hair". Die deutsche Version des Welt-Musicals hatte 1968 in München Premiere, wurde bald landauf, landab gespielt, und in einer Version sang Jürgen Marcus diesen Claude. Offenbar so überzeugend, dass Superproduzent Jack White den jungen Künstler unter Vertrag nahm. Jetzt ist Jürgen Marcus, fast ein halbes Jahrhundert nach diesem Erfolg, im Alter von 69 Jahren in Münchner verstorben. Er litt an COPD, das Kürzel steht für den Sammelbegriff Chronisch Obstruktiver Lungenerkrankungen.

Jürgen Marcus stammt aus Herne und hieß eigentlich Beumer. Als Sänger diverser Bands brachte er es auf so genannten Beat-Festivals, wo man meist mit Covers der Rolling Stones der Kinks oder, je nach Gusto und Vermögen, der Beatles reüssierte, zu lokaler Berühmtheit. Er wählte, wegen der Klangähnlichkeit mit dem Namen des damals ebenfalls recht bekannten Eiskunstläufers Hans-Jürgen Bäumler das Künstler-Alias Jürgen Marcus. Als solcher wurde er, nachdem Jack White ihm schon 1972 seinen berühmtesten Hit "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben" geschrieben hatte, zum Inbegriff deutscher Schlagerkultur der Siebzigerjahre.

Er sang in einer Liga mit Stars wie Peter Cornelius, Rex Gildo, Jürgen Drews. Er gehörte zur Creme der berühmt-berüchtigten Deutschen Hitparade von Schnellsprech-Moderator Dieter Thomas Heck, er verdiente sehr viel Geld und legte dieses in Immobilien an. Was sich zunächst als sehr klug erwies, denn nach der Trennung von Jack White, nach Hits wie "Ein Lied zieht hinaus in die Welt" oder "Ein Festival der Liebe", allesamt Songs, die in fröhlicher Terzseligkeit geschrieben und im Mitklatsch-Takt gehalten sind, kommt in den frühen Achtzigerjahren der Absturz fast in die Bedeutungslosigkeit.

Vielleicht lag es an der wachsenden Popularität der Neuen Deutschen Welle, die deutlich rockiger war, vielleicht war Schlagerland Deutschland einfach übersättigt von all dem Schubidu. Die Versuche von Jürgen Marcus, an die Erfolge von früher anzuknüpfen, verliefen im Sande; obwohl er ein eigenes Studio besaß; obwohl Szenegrößen wie Stefan Waggershausen, Christian Bruhn oder Michael Kunze Texte und Musik für ihn schrieben, obwohl er sich auch dem französischen Chanson und damit einer größeren musikalischen Vielfalt zuwandte; obwohl er sogar mit einer potenten US-Firma über Verträge verhandelte. Es sollte nicht mehr sein. Was aber, wie er einmal sagte, sicher nichts mit seinem Coming-out im Jahr 1991 zu tun gehabt habe.

Heute singt ein Blondling namens Dieter-Thomas Kuhn die Weichspüler-Lieder von Jürgen Marcus vor vollen Häusern. Marcus aber litt schon seit 15 Jahren an seiner kranken Lunge, dazu kam 2013 auch noch eine Privatinsolvenz. Doch der Sänger wurde bis zuletzt gepflegt von seinem Lebenspartner und einstigen Manager Nikolaus Fischer. Der hat nun die Nachricht vom Tod des Sängers in die Öffentlichkeit gebracht: "Schweren Herzens" gebe er bekannt, dass Jürgen Marcus den Kampf gegen seine chronische Lungenkrankheit verloren habe und "bereits Mitte Mai in unserer gemeinsamen Wohnung in München verstorben ist". Eines der Erfolgslieder von Jürgen Marcus hieß: "Davon stirbt man nicht." Es stammt aus dem Jahr 1978.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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