Nach Drogenexzess:Tod im Einkaufswagen

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  • Ein Mann trinkt auf einer Drogenparty reines Liquid Ecstasy und verliert das Bewusstsein. Seine Kumpel bringen ihn aus dem Haus und lassen ihn allein - der Mann stirbt.
  • Das Landgericht München I verurteilt zwei Männer wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise Totschlags durch Unterlassen zu Haftstrafen.

Von Christian Rost

Sanjay A. nahm einen Schluck aus der Flasche mit reinem Liquid Ecstasy und brach Minuten später leblos zusammen. Zwei seiner Bekannten, mit denen er am 18. April 2013 in einer Wohnung auf der Theresienhöhe eine Party mit Alkohol und Drogen gefeiert hatte, brachten ihn aus dem Haus, packten ihn in einen Einkaufswagen eines benachbarten Möbelhauses und ließen ihn im Freien stehen.

Sie fürchteten, dass die Polizei in die Wohnung kommt. Ümit A. und Jean F. riefen zwar noch einen Notarzt, der fand den bewusstlosen 29-Jährigen aber nicht - der Einkaufswagen stand in einem toten Winkel. Der Rettungswagen fuhr wieder weg.

Als A. und F. sich eine Stunde später erneut bei der Notrufzentrale meldeten, war es zu spät: Sanjay A. hatte einen Atemstillstand erlitten. Seine Bekannten wurden am Freitag am Landgericht München I wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise Totschlags durch Unterlassen verurteilt.

Warum der Mordvorwurf fallen gelassen wurde

Die Staatsanwaltschaft hatte dem 22-jährigen Jean F. und dem 37-jährigen A. ursprünglich sogar Mord vorgeworfen. In der Verhandlung vor der Jugendkammer zeigte sich aber, dass die Flüssigkeit Gammabutyrolacton (GBL), die Sanjay A. zu sich genommen hatte, nicht vom Betäubungsmittelgesetz erfasst ist, weil sie in der chemische Industrie vielfach eingesetzt wird und dabei unersetzlich ist.

Es ist aber auch als Modedroge bekannt, die gerade in Verbindung mit Alkohol eine tödliche Wirkung entfalten kann. Weil GBL nicht verboten ist, sah das Gericht bei den Angeklagten auch nicht die Absicht, ein Drogendelikt zu vertuschen - der Mordvorwurf wurde fallen gelassen.

Was der Richter den Angeklagten vorwirft

Bei der Party, so stellte das Gericht unter dem Vorsitz von Reinhold Baier fest, konsumierten die beiden Angeklagten selbst GBL - allerdings hochverdünnt und mithilfe einer Spritze dosiert in einer geringen Dosis. Der 28-jährige Sanjay A. nahm indes unvermittelt einen Schluck aus der Ecstasy-Flasche und verlor das Bewusstsein. Die Angeklagten beteuerten, sie hätten Sanjay A. darauf hingewiesen, das GBL nicht unverdünnt zu konsumieren. Das Gericht nahm ihnen das auch ab.

Ihr Verhalten nach dem Zusammenbruch des Bekannten wertete die Kammer aber im Fall des Medienfachmanns Jean F. als unterlassene Hilfeleistung, weswegen er zu einer dreieinhalbjährigen Jugendstrafe verurteilt wurde. Reiseverkehrskaufmann Ümit A. muss wegen Totschlags durch Unterlassen sogar sechs Jahre in Haft.

Er hatte die chemische Mixtur besorgt, in eine Cola-Mix-Flasche abgefüllt und auf dem Wohnzimmertisch in seinem Appartement für jedermann zugänglich stehen gelassen. Richter Baier warf den Angeklagten vor, das "Opfer in einem Einkaufswagen entsorgt" zu haben. "Das ist eine wenig empathische Handlungsweise", so der Richter weiter.

Für welches Delikt sie sich noch verantworten mussten

Die beiden Männer wurden zudem wegen erpresserischen Menschenraubes belangt. Sie hatten einen anderen Bekannten, der ihnen angeblich 6000 Euro für Drogen schuldete, in eine Wohnung eingesperrt und bedroht. Der Wohnungsinhaber Bogdan J., 33, saß ebenfalls auf der Anklagebank - wegen Beihilfe zum Menschenraub.

Er kam mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung davon. Diese Tat flog auf, weil das Entführungsopfer eine SMS an seiner Vater senden konnte, der die Polizei rief. Nach der Festnahme von Ümit A. und Jean F. stellte sich heraus, dass die beiden indirekt auch für den Tod von Sanjay A. verantwortlichen waren.

© SZ vom 20.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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