MVG-Streik:Schlechte Aussichten auf Einigung

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Mit dem Radl zu Tina Turner: Der Tarifstreit im Nahverkehr ist ausgesprochen verfahren, der Streik am Freitag könnte lediglich der Anfang sein.

D. Hutter

Öffentlich unken will derzeit zwar niemand. Hinter vorgehaltener Hand räumen Gewerkschafter wie Arbeitgeber aber ein, dass der Tarifstreit im Nahverkehr ausgesprochen verfahren ist, eine Einigung scheint in weiter Ferne. Gelingt bei den Verhandlungen am Montag keine Annäherung, könnte der Ausstand am Freitag lediglich der Auftakt für einen unbefristeten Nahverkehrsstreik sein.

Seltene Ansichten vom Marienplatz - die auch am Streik-Freitag exklusiv bleiben. Denn die U-Bahnhöfe sind ganztägig geschlossen. (Foto: Foto: Haas)

Die Drohkulisse ist wohlüberlegt: 24 Stunden lang - von 3.30 Uhr Freitagfrüh bis 3.30 Uhr Samstagfrüh - werden in München keine U- und Trambahnen mehr fahren, der Busverkehr ist auf ein überschaubares Notnetz beschränkt (siehe Grafik unten).

Zwar werden wegen der Ferien kaum Schüler unterwegs sein. Dafür sind am Freitag mehrere Großveranstaltungen angesetzt. Das Tina-Turner-Konzert in der ausverkauften Olympiahalle etwa, dessen Besucher wohl auf Auto oder Fahrrad ausweichen müssen. Die Freizeitmesse "Free" soll immerhin über Shuttlebusse vom S-Bahnhof Riem aus erreichbar sein.

Und das derzeit in Fröttmaning residierende Deutsche Theater setzt für das Konzert von Annett Louisan Sonderbusse vom Hauptbahnhof aus (Abfahrt vor dem Karstadt) ein. Zwar wird es auch während des Streiks Nachtverkehr geben - in gewohnter Form allerdings nur bis Freitagfrüh. In der darauffolgenden Nacht fahren sämtliche Linien nur im Stundentakt.

Am Montag dann sollen unter diesem Eindruck die Tarifverhandlungen in der Stadtwerke-Zentrale in Moosach weitergehen. Und Martin Marcinek, der Verkehrssekretär der Gewerkschaft Verdi, macht keinen Hehl daraus, was den Fahrgästen blüht, wenn die Fronten verhärtet bleiben: Urabstimmung, und dann wahrscheinlich Streik. Entweder nach dem Prinzip schmerzhafter Nadelstiche, Arbeitsniederlegungen der Kontrolleure zum Beispiel, oder aber durch einen unbefristeten Ausstand. Den bekommen dann alle Münchner zu spüren.

Ohnehin hat der Arbeitskampf diesmal resolut begonnen. Schon der allererste Warnstreik am 3.Februar dauerte zwölf Stunden - in anderen bayerischen Städten noch länger - und legte den Münchner Nahverkehr weitgehend lahm. Wer so hoch einsteigt, das ist klar, hat nicht mehr allzu viele Eskalationsstufen.

Die Gewerkschaft macht dafür die sture Haltung des Kommunalen Arbeitgeberverbands verantwortlich, deren im Dezember vorgelegtes Angebot "keinerlei Basis" für die weiteren Gespräche geliefert habe. Die Arbeitgeberseite hingegen mutmaßt, dass Verdi die Tarifschlacht besonders zügig über die Runden bringen will. Denn angesichts immer neuer Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft wachse die Gefahr, dass sich die öffentliche Meinung gegen die Arbeitskämpfer wendet.

Wie auch immer: Bislang sind Forderung und Angebot noch meilenweit auseinander. Verdi will eine Lohnerhöhung von 9,5 Prozent erreichen, mindestens aber 250 Euro mehr, dazu verbesserte Schichtzulagen. Was insgesamt, wie MVG-Chef Herbert König schaudernd festgestellt hat, ein Plus von elf Prozent bedeuten würde. Königs Kollege Reinhard Büttner, im Stadtwerke-Vorstand für Personal zuständig und bei den Tarifgesprächen der Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbands, hat sechs Prozent in zwei Stufen angeboten. Im Gegenzug, das ist der Haken daran, sollen die MVG-Beschäftigten 40 statt der bisherigen 38,5 Wochenstunden ableisten.

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Was summa summarum, wie Marcinek betont, den realen Lohnzuwachs auf etwa 2,1 Prozent drücken würde. "Eine Provokation", schäumt der Verdi-Mann. Schließlich hätten die hochbelasteten, aber vergleichsweise schlecht bezahlten Schichtdienstler nun schon mehrere Jahre lang auf Lohnerhöhungen verzichtet.

"Die Beschäftigten haben es aber verdient, für gute Leistung auch gutes Geld zu bekommen", betont Frank Riegler, der auf Verdi-Seite die Verhandlungen führt. Gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise müsse die Kaufkraft gestärkt werden. Die Inflation miteingerechnet, habe sich die Einkommenssituation der MVG-Mitarbeiter in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert.

Besonders erbost zeigt sich die Gewerkschaftsseite über Aussagen von MVG-Chef König, ein hoher Tarifabschluss schlage sich auf die Fahrpreise nieder. Schließlich habe sich umgekehrt eine Tariferhöhung noch nie positiv auf die Gehälter ausgewirkt.

König bleibt dennoch bei seiner Haltung. Die Höhe der Löhne sei noch bei jeder Tariferhöhung einer der ausschlaggebenden Faktoren gewesen. "Es ist völlig unstrittig, dass es eine Lohnerhöhung geben muss", findet der MVG-Chef. Aber eben nicht in dieser Größenordnung. So habe das private Omnibusgewerbe - die Leute, die nun am Freitag das Notnetz fahren - vor wenigen Monaten ein Plus von 3,5 Prozent herausgehandelt.

Dies sei in etwa der Rahmen, der vertretbar sei - schon wegen der Wettbewerbsfähigkeit des kommunalen Verkehrsunternehmens, die bei allen Tarifverhandlungen der vergangenen Jahre im Mittelpunkt gestanden sei. "Da dürfen nun die Uhren nicht zurückgedreht werden".

Auch wenn Kommunen mit eigenem Verkehrsunternehmen laut EU-Gesetzgebung auf Ausschreibungen verzichten können, sei dies kein Freibrief für eine nicht wettbewerbsfähige Kostenstruktur, warnt König. Schließlich müsse die MVG die laufenden Betriebskosten komplett aus den Fahrgeldeinnahmen erwirtschaften, und die sollten daher schon im Interesse der Fahrgäste auf einem vertretbaren Niveau bleiben.

Im Übrigen sei es nicht wahr, dass in den vergangenen Jahren das Lohnniveau der MVG gesunken sei. Die Gewerkschaft unterschlage die geleisteten Einmalzahlungen. Ohnehin seien die MVG-Fahrer im Verhältnis zu vergleichbaren Berufsgruppen keineswegs Geringverdiener, wie es im Eifer des Gefechts gerne suggeriert werde.

© SZ vom 26.02.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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