Muffathalle:Nach dem Frühling

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Das Festival "Arabien im Fokus" stellt aktuelle künstlerische Strategien in der arabischen Welt vor

Von EKATERINA KEL

D er junge Ägypter Ramy Essam sang im Frühjahr 2011 sein Lied "Irhal!" (Verschwinde!) auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Hunderttausende stimmten mit ein - sie forderten Husni Mubaraks Rücktritt. Mittlerweile ist Essams Lied als Hymne der ägyptischen Massenproteste in die jüngste Geschichte eingegangen. Nachdem die Armee den Protest gewaltsam auflöste, folgten für den Musiker Verhaftung, Folter und schließlich Exil in Schweden.

Am Sonntag wird Essam im Rahmen des Festivals "Arabien im Fokus" gemeinsam mit den zwei Nachwuchsautorinnen Arig Gamal und Nahla Karam aus Kairo über die aktuelle Lage in Ägypten sprechen und anschließend ein Konzert geben. Das Muffatwerk veranstaltet das Festival vom 26. bis 31. März in Kooperation mit "Dance 2015" und "Access to Dance" und lädt aktuelle Tanzproduktionen und Konzerte mit Künstlern aus Tunesien, Algerien, Ägypten, Marokko und Palästina ein, ihre Werke zu präsentieren und einen Anlass zur Reflexion über die Kunstszenen ihrer Länder zu bieten. Nebenbei sollen die Ängste gegenüber arabischen Kulturen abgebaut werden.

Es ist viereinhalb Jahre her, im Dezember 2010, dass der Arabische Frühling in Tunesien seinen Anfang nahm. Die Sehnsucht nach politischer und gesellschaftlicher Veränderung verbreitete sich schnell in vielen Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten. Ramy Essams Geschichte beweist, dass auch Kunst und Musik eine große Rolle bei den Protesten spielten. Doch die Revolution wird von vielen als gescheitert empfunden. Das Muffatwerk wagt nun eine Standortbestimmung und fragt danach, wo die Künstler aus den betroffenen Ländern heute stehen. Zwei Säulen der Kunst stehen auf dem Programm: Tanz und Musik. Die eingeladenen Bands, wie die palästinensische Band Khalas, die am 31. März ihre Mischung aus Hardrock und orientalischen Beats vorstellen wird, treten bei freiem Eintritt im Ampere auf. Die Bandmitglieder engagieren sich für die Versöhnung von Israel und Palästina und waren beispielsweise als Support von Gogol Bordello in Israel zu sehen. Der Sänger Abdelli, der in seinem Heimatland Algerien als Kabyle mit ethnischer Diskriminierung zu kämpfen hatte, lebt in Belgien und stellt am 28. März seine Musik vor, die eine Verbindung aus traditionellen kabylischen Klängen und musikalischen Exileinflüssen eingeht.

Nina Hümpel, die Frau hinter Dance 2015 und Access to Dance, unterstützte das Muffatwerk beim Kuratieren des Tanzprogramms. Die zeitgenössische Tanzszene in der arabischen Welt sei sehr klein und finanziell instabil, berichtet sie. Die meist männlichen Tänzer seien oft Quereinsteiger aus der Theaterszene und die Produktionen bewegten sich dementsprechend oft zwischen Tanz und Theater. So stellt die tunesische Produktion "Au temps où les Arabes dansaient" (In Zeiten, in denen die Araber tanzten) von der Companie de Soi um Choreograf Radhouane El Meddeb am 26. März vier Männer auf eine einfache Bühne und beschwört die Zeiten von geistiger und körperlicher Freiheit. Für "Kharbga Spiel der Macht" von Aïcha M'Barek und Hafiz Dhaou werden am 28. März mehrere Tonnen Kieselsteine auf die Bühne geladen. Die Choreografie verweist auf ein traditionelles nordafrikanisches Strategiespiel und changiert im Tanz zwischen Spiel und Kampf. Und die Compagnie Anania des marokkanischen Choreografen Taoufiq Izeddiou spielt am 30. März in "Rêv'illusion" auf offene Fragen des Arabischen Frühlings an. Ob explizit politisch oder nicht - die Realität der jüngsten Geschehnisse prägt künstlerische Produktion und Rezeption in der arabischen Welt. Bei "Arabien im Fokus" sollen künstlerische Strategien vorgestellt werden, die sich aus Revolte und Hoffnung entwickelten.

Arabien im Fokus , Donnerstag, 26. März, bis Dienstag, 31. März, Muffatwerk, Zellstraße 4, Informationen unter www.muffatwerk.de

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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