Prozess um ermordeten Manager:"Ein total kranker Plan"

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Alle sollen von dem mörderischen Plan des Rainer H. gewusst haben: Bei ihrer Aussage lässt die Ehefrau des Hausmeisters, der wegen Mordes am Manager Dirk P. vor Gericht steht, keine Zweifel an dessen Schuld.

Christian Rost

Wenn es wahr ist, was die schmale Frau mit brüchiger Stimme da im Zeugenstand erzählt, dann müssen viele Leute ein sehr schlechtes Gewissen haben. Sie alle sollen gewusst haben, dass Rainer H. einen mörderischen Plan verfolgte. Unternommen hat aber niemand etwas, auch die Polizei und Justiz hielten still.

Der wegen Mordes angeklagte Rainer H. wartet im Saal des Münchner Schwurgerichts mit seinen Anwälten Titus Boerschmann (links) und Christian Finke (rechts) auf den Beginn der Verhandlung. Der Hausmeister soll den 36 Jahre alten Manager Dirk P. erschossen haben. (Foto: dapd)

Die Frau des 40-jährigen Hausmeisters, der sich wegen Mordes an dem Manager Dirk P. vor dem Münchner Schwurgericht verantworten muss, sagt jedenfalls, sie habe ihrer Mutter und anderen Familienangehörigen von dem "total kranken" Vorhaben ihres Mannes erzählt. Auch Polizei und Staatsanwaltschaft seien informiert worden, dass Rainer H. illegal Waffen in seiner Laimer Garage versteckt habe und "mit dem Gedanken spiele", einen Menschen wegen eines Autos zu töten. Laut Anklage hat er seinen Plan am 14. Januar diesen Jahres tatsächlich in die Tat umgesetzt.

Er habe ihr seine Überlegungen bereits bei einem Spaziergang im Mai 2008 offenbart, sagt Sandra H. auf behutsames Nachfragen des Vorsitzenden Richters Michael Höhne am Dienstag. Den Zuhörern stockt der Atem, der Angeklagte fixiert seine Frau vorwurfsvoll. Alles habe er ihr genau vorgerechnet und gemeint, er könne auch gleich mehrere Autoverkäufer umbringen, berichtet die 32-Jährige weiter.

Wenn er das zehn Mal mache, die Leichen in Kühltruhen verstecke und jedes Mal 50.000 Euro aus dem Verkauf der Fahrzeuge erlöse, komme eine halbe Million zusammen. "Er wollte das eigentlich weit weg in Norddeutschland machen und die Verkäufer bei Probefahrten auf einen Feldweg locken", so Sandra H.. Auch habe er von Leichensäcken gesprochen, aus denen keine Flüssigkeiten und kein Geruch herausdringen könne. Mit solchen Leichensäcken werde der Kofferraum des jeweiligen Fahrzeugs beim Abtransport nicht verschmutzt, habe er gesagt. Das Mordopfer Dirk P. war in Leichensäcke eingewickelt und in einem VW-Transporter des Angeklagten abgelegt worden.

Sandra H. war eigenen Angaben zufolge fassungslos ob dieses Plans, sie bekam panische Angst. Doch bei der Polizei - sie will mehrere Inspektionen in Fürstenfeldbruck, in Trudering und in Dachau aufgesucht haben - habe man sie einfach weggedrückt wie "irgendeine hysterische Ehefrau". Auch eine Staatsanwältin, die sie zum Waffenversteck habe führen wollen, habe nicht weiter ermittelt. Als sie dann in der Zeitung las von einem Täter, der einen anderen wegen eines Autos erschossen hat, ahnte sie: "Das ist mein Mann!" Und als sie dann erfahren habe, dass auf das Opfer 13 Mal geschossen worden war, habe sie es gewusst: "Er hat es wirklich getan. Die 13 war eine Zahl, die für uns beide eine besondere Bedeutung hatte. Das war kein Zufall."

Sandra H. ist seit 1999 mit dem Angeklagten verheiratet. Es ist offensichtlich, dass sie keine sehr stabile Persönlichkeit ist. Sie hat schlimme Erfahrungen in der eigenen Kindheit gemacht und war in den Ehejahren ihrem Mann "hörig", wie sie es selbst beschreibt. Er soll der dominante Part in der Beziehung gewesen sein; sie traute sich nicht mal, Fragen zu stellen. Die Abhängigkeit scheint bis heute nicht ganz überwunden, obwohl das Scheidungsverfahren läuft und sie mit einem anderen Partner zusammenlebt. Natürlich hat auch der dringende Verdacht, dass ihr Mann aus niedrigsten Beweggründen einen Menschen getötet hat, für Distanz gesorgt zum Vater ihrer zwei kleinen Töchter. Aber gerade weil sie auch immer wieder voller Wärme über die "gute Zeit" mit ihm spricht, wirkt ihre Aussage letztlich glaubwürdig.

Das Gericht konnte sich anhand dieser Aussage zum ersten Mal in dem Prozess ein vages Bild von der Persönlichkeit des Angeklagten machen, der die Bluttat bestreitet und keinerlei Angaben macht. Zwar ist der Verteidigung am Dienstag aus Zeitgründen keine Gelegenheit mehr geblieben, die Zeugin ebenfalls zu befragen und ihre Angaben zu hinterfragen. Ihre Schilderungen sind allerdings bemerkenswert. Demnach habe der hoch verschuldete Rainer H. stets nach Höherem gestrebt, sich öffentlich dargestellt als jemand, der er nicht war. Beruflich erfolgreichen Menschen sei er mit Neid begegnet, besonders seinem Schwager und Schwiegervater gegenüber, die teure Autos fuhren. "Auch er wollte immer einen Audi, einen großen, einen A8", berichtet die Frau. Dirk P. wollte seinen A8 gerade verkaufen, als er mutmaßlich an Rainer H. geriet.

Die Gefühlskälte, die der Angeklagte auch während der Aussage seiner Frau im Gerichtssaal ausstrahlt, kennt Sandra H. Er habe sich niemandem öffnen wollen und deshalb auch keine Freunde gehabt. Die Frau an seiner Seite habe er als "Investition" angesehen - für seine Zukunft. Wann er sich möglicherweise zu der Mordtat entschlossen hat, bleibt allerdings auch nach ihrer Aussage unklar. Offensichtlich ist bislang ein Bruch im Leben des Mannes im Jahr 2008. Der bis dahin selbständige Elektroniker verlor einen wichtigen Auftraggeber, seine Firma ging pleite, der Traum vom Wohlstand platzte, er reagierte immer öfter aggressiv. Als seine Frau dahinter kam, dass er auch noch fremdging, brach die Familie endgültig auseinander. Die Töchter hätten sehr darunter gelitten, sagt Sandra H. Und heute müssten sie sich auch noch schämen, "dass ihr Vater ein Mörder ist".

© SZ vom 10.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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