Kabarettistin Luise Kinseher:"Derblecken ist keine Bußpredigt"

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Luise Kinseher hält als erste Frau die Nockherberg-Rede. Wie sie ihre Rolle gestalten will - und ob die Politiker mit Milde rechnen können.

Wolfgang Görl

Luise Kinseher tritt als künftige Salvatorrednerin die Nachfolge so prominenter Kollegen wie Bruno Jonas, Django Asül und Michael Lerchenberg an. Wie sie ihre Rolle als erste weibliche Derbleckerin zu gestalten gedenkt, verrät die aus Niederbayern stammende Kabarettistin in einem Gespräch mit der SZ.

Kabarettistin Luise Kinseher: "Es wird auf jeden Fall auch eine etwas emotionalere Rede sein." (Archiv) (Foto: Robert Haas)

SZ: Frau Kinseher, können Sie schon verraten, was die Politiker auf dem Nockherberg im nächsten Jahr erwartet?

Luise Kinseher: Also Derblecken ist nicht wirklich Kabarett, das darf man nicht miteinander verwechseln. Man sollte das Derblecken nicht als eine Abrechnung mit der Politik betrachten. Ich glaube, das Publikum erwartet mitunter, dass man hart ist und den Politikern so richtig die Meinung geigt. Ich möchte aber einen Weg finden, auf dem man zwar kritisch ist und genau analysiert, wo man den Finger in die Wunde legen kann - der angesprochene Politiker aber soll damit leben können. Er soll sich ertappt fühlen, aber intelligent ertappt. Es wird auf jeden Fall auch eine etwas emotionalere Rede sein.

SZ: Heißt das, die Politiker dürfen mit Verständnis rechnen?

Kinseher: Ich unterstelle einem Politiker nicht per se schlechte Absichten bei seinem Tun. Ich denke schon, dass jeder mit einem gewissen Anspruch, vielleicht sogar mit einem Ideal in diesen Beruf gegangen ist. Gerade in der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegt für mich das Feld, wo man angreifen kann. Weil die Bevölkerung zunehmend das Vertrauen in die Politiker verliert, soll und darf man an die Politik appellieren, sich auf ihre Ideale zurückzubesinnen.

SZ: Die anklagende Schärfe, die ihr Vorgänger Michael Lerchenberg praktizierte, wollen Sie aber nicht beibehalten?

Kinseher: Nein. Ich hab' mich intensiv mit dem Begriff des Derbleckens auseinandergesetzt. Für mich ist es etwas anderes als eine ernste Bußpredigt.

SZ: Und was ist es?

Kinseher: Es ist etwas urtümlich Bayerisches. Das ist Spötteln, das ist Aufziagn, aber eben so, wie ich es noch vom Stammtisch in Niederbayern her kenne: Da ist auch der Großkopferte von nebenan aufzogn worden, aber hinterher hat man mit ihm noch eine trinken können.

SZ: Also Derblecken hat viel mit Witz, mit Humor zu tun?

Kinseher: Selbstverständlich. Dass es komisch sein muss, ist das oberste Ziel.

SZ: Ihr Kollege Helmut Schleich hat nach dem Wirbel um die Lerchenberg-Rede wörtlich gesagt: "Wenn die Kabarettisten einen Arsch in der Hose haben, dann halten sie zusammen und sagen nächstes Jahr: Macht euch eure Rede alleine." Fühlen Sie sich nicht daran gebunden?

Kinseher: Ich fühle mich schon solidarisch mit Lerchenberg. Er hat seine Arbeit sehr ernst genommen, und das werde ich auch tun. Aber es darf nicht sein, dass der Nockherberg in die Hände von Leuten gerät, die tatsächlich ein Weihespiel daraus machen. Dann kann man das Derblecken wirklich vergessen. Der Nockherberg ist für Kabarettisten natürlich schon eine Gratwanderung, weil man seine kritische Haltung so verpacken muss, dass sie nicht wirklich weh tut. Gleichzeitig sollte man es den Politikern nicht allzu leicht machen, sich in der Öffentlichkeit humorvoll und volksnah zu geben. Sonst besteht die Gefahr, dass die Salvatorrednerin zur Komplizin wird.

SZ: Sie sind ja keine politische Kabarettistin im engeren Sinn. Brauchen Sie einen Ghostwriter, der Ihnen bei der politischen Satire hilft?

Kinseher: Ich schreibe die Rede im Prinzip selber, habe aber, Gott sei Dank, Kontakte zu Leuten, die sich sehr gut mit der bayerischen Politik auskennen. Das ist wichtig, denn die Fakten müssen stimmen.

© SZ vom 16.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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