20 Jahre Tatort München:Die Reifeprüfung

Lesezeit: 3 min

Am 1. Januar ist es 20 Jahre her, dass die Münchner Kommissare erstmals im Fernsehen auftraten - seitdem ermitteln Leitmayr und Batic mit humorvoller Ernsthaftigkeit an der Isar.

Christian Mayer

Wer runde Geburtstage feiert, muss damit rechnen, dass immer einer daherkommt, der ein paar Peinlichkeiten aus der Fotokiste kramt, Momente jugendlichen Leichtsinns oder blühender Unreife, und selbst bei einem so erfolgreichen Gespann wie Ivo Batic und Franz Leitmayr lässt sich dieser Rückgriff nicht vermeiden. Seit genau 20Jahren sind die beiden längst ergrauten Kriminalhauptkommissare nun für die Zuschauer im Einsatz, am 1. Januar 1991 traten sie gemeinsam ins Licht der Öffentlichkeit. Diese Tatort-Premiere lohnt noch einmal einen näheren Blick. Also: Auftritt Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl in "Animals".

Tatort München: Die Fälle. Eine kleine Auswahl. (Foto: SZ / Michael Mainka)

Die Story ist einigermaßen konfus und schablonenhaft, es geht um eine Gruppe von Tierschützern, die vor nichts zurückschreckt, und es gibt schöne Münchner Frauen, die immer gerne dahingemeuchelt werden. Vor allem aber sind da zwei Hauptdarsteller, die fröhlich einen Abhang herunterrutschen: Unten liegt schon die weibliche Leiche, bewacht von schnurrbärtigen Polizisten.

Wenn man sich das Duo heute ansieht, muss man sehr oft lachen: Der Bayer Leitmayr wirkt mit seiner wilden Lockenpracht und dem um die Beine schlotternden Dandy-Anzug wie ein Gymnasiast in einer Oscar-Wilde-Theateraufführung, der kroatische Heißsporn Batic hat immerhin ein paar ganz coole Auftritte, aber auch ihm ist das Wesen eines Kommissars eher fremd. Pistolen werden achtlos auf den Tisch geknallt, Goldfische gefüttert, Blondinen geküsst, Computer misshandelt - die Kripo scheint aus sympathischen Dilettanten zu bestehen. In einer besonders peinlichen Szene hat Herr Leitmayr auch noch seinen Dienstausweis vergessen und muss wieder abziehen, während das verführerische Fotomodell verächtlich grinst.

"Es stimmt schon", sagt Udo Wachtveitl, wenn man ihn auf seinen ersten Einsatz in der ARD anspricht, "das war ein bisschen daneben. Eigentlich haben wir uns erst mit dem dritten Tatort, ,Die chinesische Methode', gefunden." Dieser Film war im übrigen auch der erste Fall für Michael Fitz als Oberkommissar Carlo Menzinger, der lange Zeit als Ausputzer herhalten musste, wenn Batic und Leitmayr nicht weiterwussten.

In den folgenden Jahren gewann das Paar deutlich an Tritt- und Stilsicherheit. Immer wieder gab es gute Filme, die oft auch einen Ausschnitt des Münchner Lebens zeigten. Es ist nicht mehr das klassische Schicki-Micki-Milieu aus der Endlosserie "Derrick", das hier beleuchtet wird. Oft ging es im Münchner Tatort auch um die ganz einfachen Leute und ihre Leidenschaften. In der Au, in Giesing, im Schlachthofviertel und auf der Wiesn spielten solche Filme mit viel Lokalkolorit, was ganz erhellend war, weil man vorher, in Derricks heiler Psychopathen-Welt, nur meuchelnde Ehefrauen aus Grünwald kannte. Daneben aber sahen die Zuschauer mit anhaltender Begeisterung auch mörderische Bestsellerautorinnen, Fernsehmoderatoren und Opernsänger, Brauereichefs und Bordellbetreiber, Stadträte und Szenegastronomen, was eine sehr respektable Münchner Mischung ergibt.

Miroslav Nemec (links) als Hauptkommissar Ivo Batic und Udo Wachtveitl als Hauptkommissar Franz Leitmayr ermitteln seit 20 Jahren in München. (Foto: ddp)

Meist behandeln Batic & Leitmayr ihre Fälle mit Humor, ohne ins Krachlederne oder ins Derbe zu verfallen, auch sind melancholische Anwandlungen, Alkoholprobleme oder Sexaffären im Kommissariat in den 59 abgedrehten Filmen eher die Ausnahme geblieben - eine Wohltat, wenn man die Befindlichkeits-Tatorte aus anderen Städten als Vergleich hinzuzieht. Das Schwurbeln im Dienst haben sich die beiden abgewöhnt, und wenn sie gelegentlich nicht ganz so gut spielen, liegt es meist am Drehbuch.

Der jüngste Fall ist ein passendes Beispiel dazu, dass die beiden Kommissare viel gelernt haben: Das Leben und das Verbrechen sind eben härter geworden. Der im Dezember gesendete BR-Film "Nie wieder frei sein", den knapp zehn Millionen Zuschauer sahen, ist ein richtiger Justizthriller, ein perfekt inszeniertes Drama um ein Vergewaltigungsopfer. Die beiden Kommissare, die das Leben des Opfers schützen wollen, überschreiten Grenzen, sie scheitern am Rechtsstaat. Selten hat man Batic und Leitmayr so zerknirscht, so verzweifelt, so hilflos und so herausragend gesehen. Hier ist kein Wort, keine Geste mehr zu viel, das ist härteste Ermittlungsarbeit, professionelle Hingabe, reine Spannung.

"Ich hab' mich verrannt, alter Fehler", sagt Ivo zu Franz, als er merkt, dass die Wut in ihm übermächtig wird. Am Ende wird nicht alles gut, der Zuschauer bleibt beklommen zurück. Mehr kann man von einem Tatort gar nicht erwarten.

© SZ vom 31.12.2010/1.1.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: