München:Mann verliert Bruder bei Unfall - und steht wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht

Ein Rentner fährt viel zu schnell und verliert die Kontrolle über sein Auto. Sein Bruder wird herausgeschleudert und überfahren.

Von Christian Rost

Norbert K. war deutlich zu schnell unterwegs mit seinem VW Lupo auf der A 8 Richtung Salzburg. An der Anschlussstelle Hofoldinger Forst rammte der 65-Jährige vor einer Baustelle mit Tempo 140 statt der erlaubten 80 Stundenkilometer einen langsameren Passat, dann kippte sein Wagen zur Seite und schleuderte auf der Fahrbahnseite liegend Funken sprühend über den Asphalt.

Als der Lupo wieder zurück auf seine vier Räder fiel, wurde Norbert K.s Bruder, der auf dem Beifahrersitz gesessen hatte, aus dem Seitenfenster des Wagens geschleudert und von zwei nachfolgenden Autos überrollt. Der 76-Jährige war sofort tot. Am Dienstag wurde der schreckliche Unfall am Münchner Amtsgericht aufgearbeitet - Norbert K. musste sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten.

Wie es zu dem Unfall kam

Zusammengesunken saß der Rentner auf der Anklagebank und konnte noch immer nicht fassen, was da passiert war in der Nacht zum 19. Oktober 2014. Zusammen mit seinem Bruder Edwin K. hatte er am Vorabend dessen Enkelin zum Münchner Flughafen gebracht. Gegen 1 Uhr brachen die Brüder zur Heimfahrt nach Rosenheim auf.

Es war eine klare Nacht, die Fahrbahn war trocken, wie eine Polizeibeamtin später in ihrem Unfallprotokoll vermerkte. Dennoch sah K. in Höhe Hofoldinger Forst die Schilder nicht, die den Verkehr vor einer Baustelle auf 80 Stundenkilometer drosselten. Er fuhr einfach mit 140 km/h weiter, das sei seine "übliche Reisegeschwindigkeit", wenn es die Verhältnisse erlaubten, so der Angeklagte.

Mit Wucht prallte der Lupo dann gegen den Passat eines 38-jährigen Technikers aus Geislingen, der mit seiner Mutter und Tante gerade auf dem Weg nach Ungarn war. Der Techniker glaubte zunächst, ein Reifen wäre geplatzt. Dann aber sah er den Funkenflug des vorbeischlitternden Autos.

Was der Fahrer vor Gericht sagt

Norbert K. sagte, er könne sich an den Aufprall nicht mehr erinnern. Er wisse überhaupt nichts mehr von dem Unfall. Seine Erinnerung setze erst wieder ein, als er plötzlich mit Abschürfungen am Arm alleine im Auto gesessen habe. "Wo ist mein Bruder?", habe er immer wieder gerufen. Unfallzeugen, die ihm zu Hilfe eilten, hörten die Schreie schon von weitem.

Erst später im Krankenhaus erfuhr K., dass sein Bruder aus dem Wagen geschleudert worden war. Zwei Fahrzeuge, ein Audi und ein Mitsubishi, konnten nicht mehr ausweichen. Der Fahrer des Audi sagte vor Gericht: "Es hat einen Schlag getan. Ich dachte, es war ein großer Müllsack."

Vom Angeklagten konnte Richter Anton Gleisl trotz intensiver Nachfragen nichts zum Unfallhergang in Erfahrung bringen, was er bemerkenswert fand: "Es ist schon erstaunlich, dass sie gar nichts mitgekriegt haben. Sind sie vielleicht eingeschlafen während der Fahrt?" Norbert K. schüttelte den Kopf: "Das ist mir noch nie passiert." Dass aufgrund seines Verschuldens sein Bruder tot ist, lässt ihn nun nicht mehr los: "Ich habe ihn gern gehabt. Der Verlust ist entsetzlich."

Der Richter berücksichtigte das in seinem Urteil: 1350 Euro Geldstrafe und drei Monate Fahrverbot.

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