Kreative:Munteres Miteinander

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Im "super+ Unholzer", einer zum Atelierhaus umgebauten ehemaligen Trachtenfabrik an der Feldmochinger Straße in Moosach, arbeiten Kreative verschiedener Richtungen unter einem Dach - und lernen voneinander

Von Anita Naujokat, Moosach

- In der einen Etage arbeitet Birgit Bittermann an ihrem Buch über hundert Jahre alte Siphonflaschen, wie sie früher in jedem Bistro in Paris auf den Tischen standen. Ein ganzes Regal, von der Decke bis zum Boden, füllen die Glasgefäße im Atelier der Fotografin aus, die Kontakt zu Sammlern in ganz Europa hat. Nicht weit von ihr entfernt feilt Bastian Kuss an Kursen für angehende Industrie- und Automobil-Design-Studenten, die aufwendige künstlerische Arbeiten für ihre Bewerbung einreichen müssen, um überhaupt an einer der Uni-Hochburgen zugelassen zu werden. Vom Einzelcoaching bis hin zum 22-Wochen-Kurs bietet sein Institut Studienvorbereitung an. Kuss hat seinen früheren Nebenjob zum Hauptberuf gemacht - "über Ingolstadt und Audi in die BMW-Stadt München", wie er sagt.

Alexander Deubl, Konstantin Landuris und Christian Muscheid haben es geschafft: Die Künstler sind angekommen im "super+ Unholzer", wie das Trio die umgebaute ehemalige Trachtenfabrik Unholzer an der Feldmochinger Straße in Moosach nennt. "Seit diesem Monat haben wir alles vermietet", sagt ein sichtlich entspannter Deubl. Wo im Februar noch große, lichtdurchflutete Hallen von den früheren Nähstraßen für Trachten, Lodenmäntel und -kostüme zeugten, sind nun auf 2300 Quadratmetern 50 Ateliers für gut 80 Kreative entstanden. Die drei hätten gerne auch größere Räume belassen, doch waren eher kleinere gefragt. Noch riecht es in den Fluren nach frischer Farbe, an manchen Stellen ist noch der frühere Bürostil sichtbar. Denn nach der großen Zeit der Textilproduktion beherbergte das Gebäude vom Ende der Achtzigerjahre an erst das Institut für Vor- und Frühgeschichtliche sowie Provinzialrömische Archäologie und zuletzt eine EDV-Firma. Es gehört der eng mit Moosach verwobenen Eleonora-Schamberger-Stiftung, die es an das Trio vermietet hat.

Für die Künstlergruppe, die unlängst beim Kunstareal-Festival mit der Installation "Der Flug des Phönix II" Aufsehen erregt hat, ist Unholzer nicht das erste, aber das größte Projekt. "Auch für uns ist es ganz toll, mit anzusehen, wie nach und nach jeder sein Atelier einrichtet, und sie allmählich zu entdecken", sagt Deubl.

Einen der Räume teilen sich Computerprogrammierer. Das sei zwar eher eine "trockene Sache", sagt Deubl, könne aber auch für Kunstschaffende interessant sein, die mit Software arbeiten: "Diese Mischung unterscheidet uns von anderen Atelierhäusern, in denen nur Künstler arbeiten." Jeder könne von anderen profitieren. Den Keller haben sich gut zwanzig Leute gemietet, die alles selbst umgebaut haben und sich zu viert oder fünft je einen Raum teilen. Markus Bisl und seine Partner bauen dort Lampen für Lichttechnik und Klubs "und was mechanisch sonst noch anfällt". Im Untergeschoss ist auch die Werkstatt mit Maschinen, in der jeder selbst schneiden oder fräsen kann - bei Bedarf mit fachlicher Hilfe. Wen man auch fragt: Alle sind angetan von der besonderen Ausstrahlung des Gemäuers und dem künstlerischen Austausch. Die einen haben feste Zeiten, andere einen Hauptjob und arbeiten nebenbei noch kreativ. Jeder hat seinen eigenen Schlüssel und kann sich die Zeit einteilen.

Die drei Initiatoren selbst haben ihre "super+-Administration" vom Erdgeschoss neben dem Foyer in den zweiten Stock verlagert. Dort ist nicht nur mehr Platz: "Wir wollten auch nicht ständig erste Anlaufstelle für alle sein, die in das Atelierhaus kommen", sagt Deubl. Sie nutzen es für kleinere Objekte, arbeiten aber auch außerhalb. Eine überraschende Anleihe an die Vergangenheit des Gebäudes findet sich in der Lederhandtaschen-Werkstatt von Larissa Ziegler: zwei hochmoderne Industrienähmaschinen, von denen die früheren Arbeiterinnen nur träumen konnten.

Kennenlernen kann man die Künstler, ihre Ateliers und ihr Schaffen beim Sommerfest am Samstag, 6. Juni, von 14 Uhr an (Feldmochinger Straße 7). Geöffnet ist auch beim Tag des offenen Denkmals und bei den Gartenflohmärkten.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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