Mode:Der Rebell im Münchner Kindl

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Künstler Thomas Ardelt (links) hat das Münchner Kindl für Carlos Vogels Label neu interpretiert. (Foto: Stefanie Preuin)

Das Label Franz Münchinger hat die Symbolfigur der Stadt für ein T-Shirt mit Kippe im Mundwinkel und Bierdose interpretiert. Damit will es anecken, aber nicht zu sehr

Von Franziska Gerlach

Zum Glück ist die Borte in leuchtendem Gelb gehalten. Sonst stünde man vor dem weißen T-Shirt mit der Zeichnung einer Frau darauf und zerbräche sich den Kopf, wer die Person in der Kutte wohl sein mag. Kippe im Mundwinkel, Undercut, Bierdose: Das Münchner Kindl, so wie Thomas Ardelt es für das Label Franz Münchinger interpretiert hat, ist nicht von der braven Sorte. Und abgesehen von der gelben Borte ist 2018 eigentlich nichts mehr wie zuvor.

Das Münchner Kindl, dem man täglich auf Trambahnen oder Kanaldeckeln begegnet, ist schon häufig Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung gewesen. Mit seinen roten Wangen war es im 19. Jahrhundert ein beliebtes Postkartenmotiv, und auch einer der Entwürfe für das diesjährige Wiesnplakat zeigte ein niedliches, aber irgendwie geschlechtsloses Geschöpf, das mit vollen Backen Tuba spielt. Da könnte Ardelts Kindl gegensätzlicher nicht sein: Die Version des Münchner Illustrators zeigt eine erwachsene Frau mit eingefallenen Wangen und dramatisch geschminkten Augen. "Wir waren noch nie so edgy", sagt Carlos Vogel. Der Inhaber des Stadtlabels, wie er das auf München-Produkte ausgerichtete Label nennt, hat sich eine Abwandlung des Kindls bereits bei der Gründung vor sieben Jahren als Logo eintragen lassen. Lederhosen, Spatzl-Shirts und Pullover mit dem Monaco-Franze-Konterfei gehören zum Sortiment. Und seit November eben auch das T-Shirt mit dem "edgy", dem aneckenden Kindl.

Ardelt lernte Vogel vor fünf Jahren auf dem Oktoberfest kennen. Im vergangenen Jahr dann rief Vogel über Facebook Künstler aus der Umgebung dazu auf, sich kreativ für sein Label zu betätigen. Unabhängig davon meldete sich Ardelt bei ihm, weil eine alte Idee in ihm rumorte: ein Kleidungsstück zu illustrieren. "Ich hätte dem Kindl natürlich auch eine Wollmütze aufziehen können, eine Brille und noch einen Laptop dazu zeichnen", sagt Ardelt. "Aber das wäre zu nerdig gewesen." Er zieht sein Smartphone aus der Tasche, tippt und wischt, bis die Züge von Elvis, Kurt Cobain und Chris Cornell, dem kürzlich verstorbenen Sänger der US-amerikanischen Grunge-Band Soundgarden, auf dem Display erscheinen. Alle drei sind von dem Münchner Künstler mit einem Strich eingefangen, der die Spuren eines wilden Lebens offenbart. Also schuf Ardelt auch das Münchner Kindl in diesem Stil.

Eine moderne Interpretation sollte es sein, etwas Neues, das schon. Brüskieren möchten Vogel und Ardelt mit ihrer Version aber nicht. Denn wie viel den Münchnern ihr Kindl bedeutet, das zeigte sich nicht zuletzt nach dem Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum im Juli 2016, als sich die Zeichnung eines traurigen Kindls, von der Pullacherin Kim McMahon mit hängenden Schultern und einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze dargestellt, in Windeseile über die sozialen Medien verbreitet hat. Bei den Abstimmungsrunden, zu denen sich die Kooperationspartner trafen, war es meist Carlos Vogel, der zur Mäßigung anregte. Grenzen austesten, gerne. "Viel mehr wäre dann aber schon wieder nicht so passend gewesen", sagt der Unternehmer. Die tätowierte Träne etwa, die der Dame ursprünglich über die Wange kullerte, wurde aus dem Design verbannt. Als Sinnbild für ein anderes München, das mehr zu bieten hat als Glanz und Gloria, darf man Ardelts Arbeit durchaus verstehen.

Als Nächstes soll im Übrigen Sissi ins Jahr 2018 verfrachtet werden. Als Rockerbraut wird sie aber nicht daherkommen. Passt nicht, finden Ardelt und Vogel. Auf der Wiesn zum Beispiel träfe man die österreichische Kaiser heute vermutlich beim Selfieknipsen im Schützenzelt an.

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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