Mobile Toiletten:Der Mann, der die Dixi-Klos leert

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Wenn ihn Menschen fragen, warum er seinen Job freiwillig macht, antwortet Klaus Wall: "Geld stinkt nicht." Mit seiner Arbeit versorgt er schließlich seine Familie und finanziert den Urlaub. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Seit fünf Jahren ist Klaus Wall Servicefahrer für mobile Toiletten in München. Die Gerüche nimmt er kaum noch wahr. Über das Verhalten mancher Nutzer kann er sich aber nur wundern.

Von Jacqueline Lang

Ein normaler Arbeitstag beginnt für Klaus Wall früh, sehr früh. Schon oft musste der 44-Jährige deshalb schlafende Obdachlose gegen halb fünf Uhr morgens wecken und aus den mobilen Toiletten verscheuchen. Vor allem während der kalten Jahreszeit suchen dort viele zumindest kurzzeitig einen geschützten Schlafplatz. Aber auch ein Pärchen hat er nach der Wiesn schon mal in Flagranti erwischt. "Ekelt's die Leute vor nix?", ist eine Frage, die Wall sich deshalb immer wieder stellt. Wie es bei denen zu Hause aussieht, die regelmäßig die Toiletten verdrecken, will er lieber gar nicht wissen. Den Gestank, den die Stätten verströmen, mit denen er seine Arbeitszeit verbringt, nimmt er hingegen kaum noch wahr.

Ursprünglich hat Klaus Wall einmal eine Ausbildung zum Kaufmann gemacht. Schnell hat der Mann mit den bereits ergrauten Haaren und den kleinen, silbernen Creolen in beiden Ohrläppchen aber gemerkt, dass es nichts für ihn ist, den ganzen Tag drinnen zu hocken. Bevor Wall Servicefahrer für Mobi WC wurde, war er bei einem privaten Müllunternehmen tätig. Abgesehen vom Geruch lassen sich die beiden Berufe nicht miteinander vergleichen, sagt Wall. Maden im Bio-Müll findet er aber mindestens so eklig wie die Fäkalien anderer Menschen.

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Seit fünf Jahren ist er nun schon Servicefahrer für mobile Sanitäranlagen. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen ist er seitdem im Großraum München tätig. Obwohl Wall in Poing wohnt, ist er deshalb häufig in der Münchner Innenstadt unterwegs. Aktuell startet seine Tour täglich frühmorgens an der Isar. Dort sind die Toiletten vor allem im Sommer stark frequentiert. Zu seinen Aufgaben gehört die Anlieferung und Abholung sowie die Reinigung der Klohäuschen.

Beliefert werden neben öffentlichen Veranstaltungen und Orten auch Baustellen und Privatpersonen beziehungsweise Firmen. Wählen können die Kunden zwischen Kabinen für Rollstuhlfahrer, Toiletten speziell für Frauen ohne Urinal und Toiletten für Baustellen - und jede dieser mobilen Toiletten, die Wall täglich mit seinem Lkw durch München fährt, fasst 300 Liter in ihrem Fäkaltank.

Worauf man bei der Reinigung besonders achten muss? "Dass man sich nicht ansaut", sagt Wall und lacht verschmitzt. Passiert sei ihm das noch nie - zum Glück, denn seine Arbeitskleidung besteht lediglich aus einer gewöhnlichen Arbeitshose, einem verblichenen, grauen T-Shirt mit dem Logo der Firma, Arbeitsschuhen und Gummihandschuhen.

Auch die Frage, ob es auf Herren- oder Damentoiletten sauberer sei, bringt Wall zum lachen. "Bei den Mädels ist die Hemmschwelle um einiges niedriger als bei den Männern", sagt er. Woran das liegt, könne er sich als Mann nicht erklären, sagt er. Wenn er lacht, schiebt sich seine Oberlippe leicht über seine Unterlippe.

Körperlich anspruchsvoll findet der 44-Jährige seinen Beruf nicht, aber man müsse den Stress aushalten können, sagt er. Vor allem im Sommer, wenn viele Veranstaltungen im Freien stattfinden, muss er als Fahrer aufpassen, dass er die vorgeschriebenen Pausen zwischen den einzelnen Fahrten auch einhält.

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Wall ist jedoch gerne unterwegs, auch wenn das bedeutet, dass er häufig den ganzen Tag alleine mit seinem Lastwagen herumfährt. "Muss man mögen", sagt er. Klaus Wall mag es eben. Schämen tue er sich nicht für seinen Beruf, versichert Wall. "Wenn jemandem nicht passt, was ich mache, dann braucht er nicht zu mir kommen", sagt er abwehrend. Im nächsten Moment ist seine Fröhlichkeit aber schon wieder zurückgekehrt.

Meistens ist er bei seiner Ankunft am jeweiligen Einsatzort sowieso ein gern gesehener Gast: Die Menschen wissen, was passiert, wenn er den Tank der Toilette nicht leeren würde. Nur hin und wieder beschweren sich Anwohner, wenn Wall eine Toilette vor ihrer Haustüre abstellt oder mit einem Saugschlauch den Inhalt der Toiletten in den Tank auf seinem Lkw befördert. Der Mensch sei ein Gewohnheitstier, sagt Wall - aber auch bei ihm habe es schließlich die ersten zwei Wochen große Überwindung gekostet, den Gestank zu ertragen.

Die Fäkalien von anderen Menschen wegzuwischen, ist natürlich auch für Wall kein Traumberuf, aber es ist ein Job, der es ihm ermöglicht, seine Familie zu versorgen und regelmäßig in den Urlaub zu fahren. Wenn Menschen Wall deshalb fragen, wie er so einen Job nur freiwillig machen kann, antwortet er jedes Mal: "Geld stinkt nicht."

Reiß- und stichfest

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die wichtigsten Dinge liegen meistens auf der Hand, so auch im Fall von Klaus Wall. Sein wichtigster Arbeitsgegenstand sind seine blau-weißen Gummihandschuhe. Das besondere an ihnen: Sie sind nicht nur besonders reiß- sondern auch stichfest. Obwohl seine eigentliche Tätigkeit kein Hantieren mit scharfen oder spitzen Gegenständen vorsieht und die stichfesten Handschuhe deshalb auch nicht vorgeschrieben sind, fühlt Wall sich sicherer damit. Häufiger hat er schon verschmutzte Nadeln von Drogenabhängigen oder Scherben in einer der mobilen Toiletten gefunden. Im Gegensatz zum Umgang mit Fäkalien ist das nicht nur ekelig, sondern kann auch gefährlich werden. Seine Arbeitshandschuhe hat Wall deshalb immer griffbereit. jala

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© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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