Mitten in Zamdorf:Fußball auf dem Verteilerkasten

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Weil es keine echten Derbys gibt, toben sich die Fans der Roten und der Blauen eben anders aus

Von Johannes Korsche

München ist zweigeteilt. Es gibt Rote und Blaue, gemeint sind natürlich nicht Sonnenverbrannte und Betrunkene, sondern die Fans des FC Bayern und des TSV 1860. Auf der einen Seite steht der Arbeiterverein aus Giesing, nach eigenem Selbstverständnis ein bodenständiger Verein, der leider am Geldhahn eines jordanischen Geschäftsmanns hängt. Auf der anderen Seite die "G'stopften" aus Harlaching, die sich als bester Club Europas verstehen, wenngleich sich derzeit meist andere Vereine mit diesem Titel krönen.

Beide Vereine verbindet eine angemessen heftige Abneigung, die sich aber nicht so recht im Sportlichen ausleben darf. Mal abgesehen von den Derbys in der Regionalliga, zu der die Sechzger - im Sinne des sportlichen Wettkampfs, versteht sich - in der vergangenen Saison sogar ihre erste Mannschaft entsandten. Und wenn sich die großen Gefühle im Leben nicht ausleben dürfen, brechen sie aus einem anders heraus. Dann wird das Münchner Fußballderby auf drei Verteilerkästen ausgetragen, zum Beispiel am Straßenrand der Hultschiner Straße in Zamdorf.

Den Anpfiff übernahmen die Bayernfans, als sie jeden dieser grauen Kästen mit einem Buchstaben in roter Sprayfarbe markierten: "F-C-B". Die frühe Führung für die Bayern, die auf brillante Art und Weise die ganze Breite des Spielfelds für ihre Buchstabenkombination nutzten. Aber der TSV kämpfte sich ins Spiel zurück, glich aus. Über die rote Farbe pinselten Fans mehrfach die weniger subtile Botschaft: "Fuck FCB!" Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Kick zu einem fesselnden Schlagabtausch entwickelt. Und auf einmal schien es, als hätten die Blauen das Spiel gedreht. Auf die Rückseite der Kästen malten sie ein "TSV 1860 München", klares 2:1. Doch der Videoschiedsrichter griff ein: "Die Rückseite ist Abseits, dieses Tor zählt nicht." Unentschieden, Schlusspfiff.

Damit solche kindischen Derbys künftig nicht mehr dort ausgefochten werden, wo sie nicht hingehören, kann man nur auf ein richtiges Derby hoffen. Es gibt da nur ein Hindernis: Entweder die Roten steigen mehrfach ab oder die Blauen marschieren durch in die Bundesliga. Beides könnte schwierig werden.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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