Mitten in Thalkirchen:Fit in die Vergangenheit

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Der Rentner von heute setzt starke Zeichen gegen die Vergänglichkeit, gern auch indem er Denkmäler zum Ausflugsziel wählt

Von Jürgen Wolfram

Wir dachten schon, die Münchner Senioren verschwänden allmählich im Internet. Weil sie dauernd mit den Tasten "Alt" und "Entfernen" spielen. Überraschenderweise tauchen sie jedoch immer wieder pulkweise irgendwo auf. Zum Beispiel bei der Aqua-Fitness im Hallenbad und demnächst vermutlich in der U-Bahn, wenn's zum Nostalgie-Rockkonzert von Bruce Springsteen ins Olympiastadion geht. Der umtriebige Rentner von heute setzt starke Zeichen gegen die Vergänglichkeit, gern auch indem er Denkmäler zum Ausflugsziel wählt. Nicht wegen der Heldenverehrung, sondern weil die häufig im Grünen stehen. Gemeinsam mit Oma, Enkel, Hund zum Flößerdenkmal in Hinterbrühl - das wäre womöglich ein Foto mit dem Smartphone wert.

Vor dem Flößer möchte sich der urbane Silver-Ager fast in Ehrfurcht verneigen. Denn die Figur beeindruckt durch imposante Statur und Achtung gebietende Pose. Andererseits: Wie hätte man den Held der Transportarbeit sonst darstellen sollen? Wie er mit Seinesgleichen in den Spelunken an der Isar zwischen Lenggries und Landau den Lohn versäuft? 1938/39 vom Bildhauer Fritz Koelle geschaffen, wacht die Skulptur über jene Stelle, an der ein Wasserlauf vom Isar-Werkkanal abzweigt und hinab zur Thalkirchner Floßlände plätschert. 1940 war die Plastik sogar mal bei einer Ausstellung im Haus der Kunst zu sehen; damals stand Pathos bekanntlich in Blüte.

Oft waren es Krieger, Dichter, Denker oder Herrscher, die in Stein gemeißelt oder in Bronze gegossen wurden. Nicht wenigen hat die Gesellschaft lange vorher patzig ihre Gunst entzogen. Siehe Lenin, der von 1900 bis 1902 in München lebte, ehe er Revolutionen anzettelte. Bei dem zerrte der Bagger solange am Mantel der Geschichte, bis nur noch Trümmer übrig blieben. Das kann dem Isarflößer nicht passieren. Er symbolisiert lediglich ein stolzes Handwerk, das so gut wie ausgestorben ist, an das traditionsbewusste Münchner sich aber wieder zunehmend erinnern. Beim Sonntagsspaziergang ebenso wie bei Ausstellungen des Flößer-Kulturvereins. Mit hohem Senioren-Anteil ist hier wie da zu rechnen.

Doch keine Sorge: So schlimm wie an den Flughafenschaltern Richtung Spanien ist es beileibe nicht.

© SZ vom 30.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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