Mitten in Solln:Der Postmann als Kunstwerk

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Quelle: SZ-Grafik (Foto: N/A)

Die Sollner befürchteten, ihre Postfiliale an der Herterichstraße zu verlieren. Sie ist zum Glück geblieben - und mit ihr leider auch die Warteschlange

Von jürgen wolfram

Es gab Gerüchte. Würde sie sich verkrümeln und als Shop-in-shop in der Ecke eines Schreibwarenladens enden? Die Post hat alle Zweifler eines Besseren belehrt. Ihre Filiale an der Herterichstraße in Solln wurde nicht etwa dichtgemacht, sondern kräftig um- und ausgebaut. Dabei gehört ihr die klotzige Immobilie mit der geräumigen Schalterhalle nicht einmal. Der Zustellstützpunkt, von dem 50 Beschäftigte nach dem Sortieren in mehr als 30 Bezirke ausschwärmen, ist in einen Anbau umgezogen. Im ersten und neu errichteten zweiten Stockwerk stehen nun 26 Zimmer für externe Berufsanfänger zur Verfügung. Unterm gemeinsamen Dach geblieben, obwohl nur noch dem Namen nach verwandt: die Postbank.

Zu berichten ist von einer weiteren Konstante: Zu gewissen Zeiten bilden sich Warteschlangen, die sich bis draußen vor die Tür winden. Lustig finden das nur Passanten, die in der Postfiliale nichts zu erledigen haben. Wer indes ein schweres Paket in Händen hält und womöglich schon an der Supermarktkasse auf eine Geduldsprobe gestellt worden ist, dürfte dazu neigen, den Postservice als Zumutung abzustempeln. Was am Ende wenig nützt, denn die Niederlassung an der Herterichstraße ist weit und breit die einzige ihrer Art und damit fast so wertvoll wie eine uralte Briefmarke aus britischen Überseegebieten. Befindet sich die nächstgelegene Filiale doch bereits im Landkreis München.

In seinem Groll läuft der frustrierte Kunde Gefahr, zu übersehen, wie sehr der gelbe Riese sich bemüht, Trost zu spenden. So bietet er jenen, die im Freien seiner Dienstleistung harren, neuerdings einen echten Blickfang: Kunst am Bau. Großformatig prangen an der Fassade postalische Symbole, wie das unvermeidliche Horn. Ferner grüßt aus der Farbe des Lichts eine Gestalt, die an einen Postboten erinnert. Keiner von der Sorte, der bei schönen Frauen zweimal klingelt; eher einer, der seinem Auftrag eilfertig nachkommt. Ein Rest biederer Markentreue möge sein, hat sich der künstlerisch ambitionierte Architekt wohl gedacht. Hauptsache, es heißt weiterhin: Die Post ist da. Wo sie hingehört.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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