Karliii", hört man es über die Leopoldstraße brüllen. Vielleicht ist es auch "Williii" oder "Manniii". So ganz genau lässt sich das nicht ausmachen. Fest steht nur: Der Mann oben im Kran will irgendetwas, schreit nach unten. So wie es Bauarbeiter, Handwerker und auch Kranführer eben nun mal tun, wenn sie miteinander kommunizieren. Und es ist laut. Sehr laut um die große Baustelle am "Schwabinger Tor".
Karli - nennen wir ihn jetzt so - hat sich beruhigt. Es scheint, als ob gerade einmal Zeit bliebe, im eigenen Gärtchen ein bisschen zu lesen, eine kleine Siesta zu halten. Die Devise: Karlis Schweigephase ausnutzen, die Ruhe genießen, träumen. Doch: Handwerker sind überall in diesen Tagen im Wagnerviertel. Ein ohrenbetäubend lautes Knirschen und Quietschen kommt plötzlich aus der Nachbarschaft. Maschinen fräsen sich durch Stein. Ein neuer Pool, ein Froschteich, eine Feng-Shui-Oase? Wurscht. Nur laut. Ach ja, und an der anderen Ecke fallen auch noch Betonmischer und das Hämmern der Hilti in einen wunderbaren Rhythmus. Haben sich denn alle Lärmmacher abgesprochen? Müssen denn alle bauen? Auf einmal?
Das Lesen fällt schwer. An Schlaf ist nicht zu denken. Dann wird eben selbst Lärm gemacht. Endlich saugen zum Beispiel oder wenigstens jetzt im Garten den Stamm des Christbaums zersägen. Ha! So, jetzt selbst laut sein! Wunderbar!
Und dann, ja, dann ist es plötzlich still. 16 Uhr. Karli geht nach Hause. Und alle anderen Lärm-Karlis auch. Aber was ist das? Plötzlich stehen eine Menge Menschen auf der Terrasse des Nachbarhauses. Mit Plänen in der Hand. Nein, die werden doch nicht! Oh je, ein Handwerker ist auch dabei! Und so kommt es, dass am nächsten Tag Menschen in blauen Latzhosen in mehreren Sprachen laut miteinander kommunizieren, laut telefonieren, superlaut die Mauern einreißen, Fensterstöcke, Treppen . . .
Ade, schöne Gartenwelt! Ach, Karli, du bist noch der Beste von allen. Schrei ruhig wieder!