Mitten in Pasing:Das Lächeln des Zeitreisenden

Lesezeit: 1 min

Von der Last und Lust des Unterwegsseins

Von Jutta Czeguhn

Einmal mit leichtem Gepäck reisen. Nur das Nötigste mitnehmen, die Kreditkarte, allenfalls noch eine Zahnbürste. Ganz luftig fühlt sich allein der Gedanke an so ein Abenteuer an. Keine Pack-Listen mehr vor Reiseantritt. Den Föhn verstauen oder gibt es einen im Hotel? Kein Kopfzerbrechen mehr über Koffergrößen: den Trolley oder doch besser das unkaputtbare Hartschalen-Monster? Was ist mit Bordgepäck - haben sich da nicht unlängst die Bestimmungen geändert oder hält das jede Fluglinie, wie sie grad lustig ist?

Noch ehe der Trip überhaupt angetreten ist, sind die Reisenden schon erschöpft. Das Gepäck ist noch nicht einen Meter den Gehweg entlang gezerrt oder eine Rolltreppe hochkatapultiert, da ist die Stimmung schon im Keller. Am liebsten würde man die Reiserücktrittsversicherung sofort aktivieren, ließe sich ein "persönlicher Hinderungsgrund" nur ansatzweise plausibel formulieren. Ein rabiat ehrliches "Weil's Reisen nervt!" wird fürs Storno kaum reichen.

So stehen die Frühbucher also wie mutlose Schwerstarbeiter auf Bahnsteig 6 in Pasing und harren der Flughafen-S-Bahn. Mit ihnen wartet ein junger Mann. Geradezu provozierend entspannt ist der. Und seltsam angezogen mit Schlaghose und schwarzem Zylinder. Fast wie eine Erscheinung wirkt er auf die Urlauber-Truppe, die sich gehetzt in ihrer Kofferburg verschanzt hat, nervös die Bauchtaschen nach Flugtickets und Pässen abtastend. Dann fährt die S 8 ein. Der Zeitreisende mit dem Kopfputz schlendert zu seinem Gepäck, das er vertrauensvoll etwas weiter entfernt an einen Pfeiler gelehnt hat: Ein krummer Stock, an dem mit Gürteln befestigt drei Bündel hängen. Auf dem Tuch, in das der Wanderer seine Habe eingerollt hat, sind irgendwelche Worte geschrieben.

Der junge Mann tippt zum Gruß an die Hutkrempe, lächelt und lässt der Gruppe, die umständlich hektisch ihre Koffer einsammelt, beim Einsteigen in die Bahn den Vortritt. Nun ist auch der Spruch auf seinen Bündeln zu entziffern: "Rund ist die Welt. Drum, Brüder, lasst uns reisen."

© SZ vom 01.09.2015 / Von der Last und Lust - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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