Mitten in München:Ein Servus von Harry Valérien

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Wer aus der Provinz zu Besuch in die Landeshauptstadt kommt, will was erleben, zum Beispiel Prominente sehen. Und dann grüßte einen ein berühmter Sportreporter. Diese Zeiten sind vorbei, aber dann sitzt da plötzlich Sepp Bierbichler - grüßt aber nicht

Von Jutta Czeguhn

Mal sehen, wen wir heute treffen, sagt der Besucher und reibt sich voller Tatendrang die Hände. Diese Erwartungshaltung wirkt ein wenig beängstigend, ist er doch überzeugt, dass einem in München dauernd Prominente über den Weg laufen. Ein dummes Klischee! Obwohl: Vor Jahren hatte der München-Besucher ein ultimatives Erlebnis, von dem er heute noch ungefragt jedem berichtet.

Zugegeben, es ist wirklich eine hübsche Geschichte. Irgendwo im Gewusel am Marienplatz stand uns damals plötzlich der Harry Valérien gegenüber. Wie eine Erscheinung war das für den Besucher, der den großen Sportreporter seit Kindertagen verehrte. Der alte Mann war vollkommen ruhig, blickte uns milde lächelnd an und sagte dann - als würde man sich irgendwo beim Wandern in den Bergen begegnen - mit dieser unverwechselbaren Harry-Valérien-Stimme: "Servus!" Wir blickten uns um, aber der Gruß galt ganz offensichtlich uns - nur uns. Dann war Valérien auch schon verschwunden. Der Besuch war tief bewegt und meinte noch eine Weile mantraartig: "Mensch, der Harry, Mensch." Als ein paar Monate später, im Oktober 2012 die Nachricht von Valériens Tod kam, simste der Besucher ein betroffenes "R.I.P.".

Wen also hält dieser Tag für uns bereit? Lange tut sich überhaupt nichts. Der München-Besuch ist enttäuscht. Dann - wir strolchen gerade durchs Univiertel - nörgelt der Tourist mit Provinzler-Arroganz: "München ist auch nicht mehr das, was es mal war!" Als ob das an höherer Stelle jemand vernommen hätte, materialisiert sich im nächsten Moment wieder eine Erscheinung: Durch das offene Fenster der Traditionsgaststätte Atzinger fällt der Blick auf Sepp Bierbichler, der da ganz für sich an einem Tisch sitzt und seine Ruhe haben möchte. "Da, der Bierbichler!", bedeutet man beiläufig. Anerkennendes Nicken.

Als dann noch, mit Einkaufstüten am Radllenker, am Weißenburger Platz einer daherradelt, der aussieht wie Bruno Jonas, ist der Besucher zufrieden. Allerdings: Das leise Servus von Harry Valérien, das kann niemand toppen.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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