Die Ameise als solche kommt bei uns Menschen ja ziemlich gut weg. Schon der alte Grieche Äsop rühmte ihren Fleiß, und zwar in seiner Tierfabel von der Ameise und der Heuschrecke. Später tat es ihm der Franzose Jean de la Fontaine gleich, gesellte dem Ausbund an Fleiß aber die Grille als lehrreiches und zugleich abschreckendes Luftikus-Beispiel zur Seite.
Im richtigen Leben, insbesondere in freier Natur, das heißt auf der Terrasse in Hadern, können sie auch anders. Mit ihren sechs Beinen, die mit je zwei Klauen ausgestattet sind, sowie dem eingebauten Haftapparat gelingt es ihnen mühelos, selbst glatte Fensterscheiben senkrecht hochzuklettern. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist es aber, den Splitt ans Tageslicht zu befördern, der die Terrasse in der Waagerechten hält. Zu ihrer Baustellenlogistik gehört es, als erstes eine Fahrbahn anzulegen, von uns Menschen auch Ameisenstraße genannt. Auf der zirkulieren sie ohne Unterlass und ohne erkennbares Ziel und oft so mit Lasten beladen, dass man sich über ihre Bandscheiben Sorgen machen müsste, hätten sie denn welche.
Einige von ihnen haben darüber hinaus ein Geschäftsmodell für sich entdeckt, das ihnen ein Leben in Saus und Braus sichert. Sie machen Schild- und Blattläusen ein Angebot, das diese nicht ausschlagen können, wenn ihnen ihr Leben lieb ist. Sie müssen sich zwar von den Ameisen melken lassen, ihnen also einen Teil des mühsam aus den Pflanzen gesaugten Honigtaus abtreten, bekommen dafür aber persönlichen Schutz. Der Deal "Schutz gegen Nahrung" wird von Biologen Trophobiose genannt.
Wer sich darauf einlässt, ist den Ameisen meist hilflos ausgeliefert. Fleißig wie sie sind, suchen sie dauernd nach neuen Pflanzen ohne Lausbefall und transportieren ihre Melk-Herde dorthin. Die arme Laus! Heute noch auf der Sonnenblume, morgen schon auf der Rose. Und nach all dem Ärger mit der Ameisen-Armada jetzt auch noch das: Es nähert sich ein Ungetüm mit Strohhut und zerquetscht die Sauger mit seinen plumpen Fingern. Und die Ameisen? Befördern dafür den letzten Rest des Splitts aus den Plattenfugen. Sie sind nicht nur fleißig, sondern auch rachsüchtig.