Mitten in Hadern:Die Zukunft verbuddelt

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In "Cluster 510" lebten die Fußgänger in letzter Zeit gefährlich - alles für den Fortschritt

Kolumne von Berthold Neff

Wer in den vergangenen Wochen in dem Gebiet unterwegs war, das die Stadtwerke München GmbH als "Cluster 510" führen, musste Herr all seiner Sinne sein, um Schaden an Leib und Leben abzuwenden. Überall lief man Gefahr, im Untergrund zu versinken, denn Männer mit orangefarbenen Westen hatten so gut wie jeden Gehweg zwischen der Großhaderner Straße und dem Haderner Stern aufgerissen. Kleine Bagger buddelten aus dieser Schneise dann Kies hervor, um Platz zu schaffen, was unsere Zukunft in der Informationsgesellschaft sichern soll: die Glasfaser.

Auf Kabeltrommeln so groß wie ein Rhönrad wartete die Zukunft darauf, die Kupferkabel zu ersetzen, die zum Telefonieren zwar noch gut genug wären, vor dem Datenstrom der Zukunft aber kapitulieren müssen. Sie werden nun sicher eingeschmolzen, es blüht ihnen ein Dasein als Kupferdach. Geld kann man daraus kaum noch machen. Die Ein- und Zwei-Cent-Münzen, die aus einem Stahlkern mit Kupferauflage bestehen, sind in der Herstellung teurer als ihr Nennwert.

Die Zukunft ist unübersehbar gläsern. Was wir, beim eiligen Marsch zur U-Bahn, mit Füßen treten, ermöglicht High-Speed-Internet mit einem Tempo von bis zu 1000 Mbit/s und erlaubt es uns, Telefon, Internet und Fernsehen über nur eine Leitung gleichzeitig zu empfangen, was von jedem, der nicht von Geburt an ein Multi-Tasker ist, einiges abverlangt: Ein Gespräch führen, im Internet surfen und gleichzeitig Fußball gucken, das muss man erst einmal lernen.

Apropos lernen: Hätten unsere Vorfahren mal richtig nachgedacht, wäre es für sie ein Leichtes gewesen, die Infrastruktur unter unseren Gehwegen so anzulegen, dass oben alles beim Alten bleibt. In Neuhadern-Ost zum Beispiel, das bei den Stadtwerken als Cluster 510 firmiert, hätten sie noch vor dem ersten Neubau, als es hier noch Kartoffelfelder gab, ein Tunnelsystem errichten müssen, eine Stadt im Untergrund. Abwasser, Strom, Gas, Fernwärme, Kabelnetze, alles hätte dort bequem Platz gefunden. Techniker wären mit ihren Lieferwagen dort unten umhergebraust, ganz bequem im Kühlen. Die Pflasterer hätten unten im Kühlen an diesen Straßen arbeiten dürfen. Es wäre ihnen erspart geblieben, unsere Gehwege schwitzend bei 30 Grad Celsius aufzureißen und uns ins Stolpern zu bringen.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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