Mitten in der Maxvorstadt:Es geht um den Durchblick

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Wer sich gegen stumme Verkäufer wehrt, verliert nicht nur den leichten Zugang zu Information und Meinung, sondern auch zum Papiernachschub

Von Stefan Mühleisen

Das Thema mag anrüchig sein, dennoch: Über Müll, Dreck und Schmutz zu reden, ist ein Dauerbrenner. Rührig und mit grimmiger Lust herrscht vielerorts Aufregung über all den Unrat, der unsere schöne Stadt verunziert. Dabei gehen die Auffassungen darüber, was als solcher zu gelten hat, weit auseinander. Manche sind verstimmt über Ramsch, der am Straßenrand als Geschenk dargeboten wird. Andere sehen das als schöne Bereicherung, ja charmante Möblierung. Nicht-Münchner mögen sich manchmal wundern über den leidenschaftlichen Diskurs; manch Auswärtiger empfindet die Stadt als zu geschleckt, wie gekärchert. Obendrein sind nicht einmal die Zeitungen davor gefeit, als potenzielle Verunstalter öffentlichen Raumes in die Zange genommen zu werden.

Dabei geht es nicht darum, ob die Redakteure das geistige Klima stören oder funkelnd schmücken. Vielmehr gerät offenbar der Zeitungskasten als stummer Verkäufer ins Visier, wie jetzt im Bezirksausschuss Maxvorstadt deutlich wurde. Die Verlage wissen um den Einfluss der Gremien, bestimmen sie doch mit, wo "Zeitungsentnahmegeräte", so der korrekte Behördenbegriff, aufgestellt werden dürfen. Eine Münchner Boulevardzeitung hatte sich in diesem Fall laut Tagesordnung "diverse Standorte" erbeten. "So wird der öffentliche Raum zugemüllt", stellte einer der Stadtviertelvertreter fest.

Eine derartiges Anschwärzen der Presselandschaft wollten andere aber nicht stehen lassen. Man wehre sich entschieden dagegen, jene Entnahmegeräte als Vermüllung anzusehen, so die nahezu empörte Gegenrede. Der Vorsitzende würgte das Wortgefecht schließlich mit der Bitte ab, keine Grundsatzdebatte über den öffentlichen Raum zu führen. Dabei wäre noch so einiges zu klären gewesen. Verschwänden die Kästen, nähme man der Bevölkerung nicht nur den schnellen Zugang zu Information und Meinung - auch ganz praktische Nachteile, die nach dem Zeitungsstudium aufkommen könnten, stünden dann zur Disposition. Zum Beispiel die Versorgung mit dem seit Omas Zeiten gelobten Papier zum Trocknen nasser Schuhe oder zum Fensterputzen. Es geht also um den Durchblick - im doppelten Sinne.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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