Ein Drogeriemarkt in der Hofstatt, kurz vor Ladenschluss. Lange Schlagen vor den Kassen. Die meisten Kunden fummeln müde Grußbotschaften in ihre Handys. Viel unterhaltsamer ist es, die Einkaufswagen der anderen Wartenden zu studieren. Man kann das diskret aus den Augenwinkeln heraus machen, oder aber angriffslustig so einen Wageninhalt optisch auseinandernehmen. Zeige mir, was du kaufst, und ich sage dir auf den Kopf zu, wer du bist. Ganz wackelige Geschichten lassen sich da zusammenspinnen.
Die Frau, die gerade vier Dosen Katzenfutter aufs Band legt: Sie hat einen tristen Abend vor dem Fernseher vor sich. Die Mieze zu ihren Füßen, wird sie gegen 23 Uhr überlegen, ob sie bis zum Beginn von Mankells Wallander durchhalten oder besser schlafen gehen soll. Die Katzenmutti hat bezahlt. Nun ist der Anzugträger an der Reihe, ein Jungbanker mit akkurat rasierter Frisur. Einer, der etwas werden will, aber an der falschen Stelle spart. Dieses Billig-Deo mit dem aggressiven Essig-Reiniger-Geruch, das die Kassenkraft nun übers Band zieht. So wird das nichts mit der Karriere.
Ein Raunen geht durch die Schlange. Einige Wartenden werfen sich konspirative Blicke zu, verdrehen die Augen. Bei den nächsten Kunden wird sich's ziehen. Eigentlich vermutet man die Großfamilie aus Arabien - Mann, drei schwarz verhüllte Frauen, ein Sohn, zwei Töchter - eher im Kreidekreis der Maximilianstraße. Doch scheinen Drogerie-Discount-Artikel bei den Gästen aus Dubai oder Abu Dhabi in diesem Sommer heißer begehrt als der teure Tand von Chanel oder Louis Vuitton. Bis zum Rand stapeln sich im Einkaufswagen Produkte für die Schönheit von Innen und Außen, Vitaminkapseln, Cremes, Pflaster, Zahnbürsten. Und ungelogen 30 Tüten Ricola-Bonbons der Sorte "Gletscherminze". Coole Swissness, ganz unverzichtbar in einem halstrockenen Wüstenstaat.