Missstimmung unter den Nachbarn:Im zweiten Anlauf abgesägt

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Den Umbau im Pfarrhaus von St. Ulrich in Laim hat eine alte Fichte überstanden. Dem neuen Pfarrheim muss sie weichen

Von Andrea Schlaier, Laim

Der Stein des Anstoßes war ein Baum, genauer eine Fichte. Die gilt in München neuerdings als besonders schützenswert, weil Nadelbäume vom asiatischen Laubholzbockkäfer nicht befallen werden, der sich im Osten der Stadt breit gemacht hat, was groß angelegte Rodungen von Laubbäumen nach sich gezogen hat. Die Fichte soll nun die Stellung halten, die "Durchgrünung" im Stadtgebiet gewährleisten. Um ein Exemplar der Gattung zu schonen, zog sich die Genehmigung der Lokalbaukommission für den Dachausbau des bestehenden Pfarrhauses der katholischen St.-Ulrich-Gemeinde in Laim ein dreiviertel Jahr hin. Die Einigung zwischen Amt und Antragsteller, sagt Kirchenpfleger Anton Kaiser, sei dann überraschenderweise keine große Sache gewesen.

Kurios ist dagegen die weitere Zukunft der Fichte, die nun auch beim eigentlichen Großprojekt, den umfangreichen Baumaßnahmen auf dem Gelände rund um die St.-Ulrich-Kirche, noch mal ins Spiel kommt. Besser gesagt: aus dem Spiel genommen wird. Denn für den Bau eines neuen Pfarrheims auf dem Gelände entlang der Helmpertstraße darf sie wie auch zwei Nachbar-Fichten aus baurechtlichen Gründen gefällt werden. Mit amtlichem Okay.

Am meisten aufgebracht hatte Kirchenpfleger Anton Kaiser daran, "dass wir von März 2015 bis 28. Januar 2016 warten mussten, bis wir wegen der Stellplatz-Geschichte und der Verschiebung der Fichte die Genehmigung für den Dachausbau des bestehenden Pfarrhauses bekommen haben". Ihm habe "gestunken", dass die Unterlagen vorher monatelang in der Unteren Naturschutzbehörde, einer Abteilung der Lokalbaukommission (LBK), gelegen hätten.

In einem offenen Brief hatte Kaiser seinen Unmut Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mitgeteilt, kurz nachdem dieser öffentlich schnelle Planungsinstrumente für die Schaffung neuen Wohnraums in der Stadt angekündigt hatte. In Laim, so der Kirchenpfleger, sollen im alten Pfarrhaus vier Wohnungen mit bezahlbaren Mieten für kirchliche Mitarbeiter entstehen. "Diese benötigen wir allein schon deshalb, weil wir wegen der hohen Lebenshaltungskosten in München kaum Personal für unsere Kindergärten bekommen." Wegen der Fichte habe man nun nicht wie geplant im Herbst mit dem Ausbau beginnen können, sondern erst jetzt, Anfang April.

Die Gemeinde, die von der St.-Ulrich-Stiftung getragen wird, hat baulich gesehen einiges vor rund um das alte Kircherl an der Agnes-Bernauer-Straße, im historischen Kern des Viertels. Anstelle des bestehenden Pfarrheims an der Helmpertstraße, einem maroden Flachbau aus den 1970er Jahren, soll ein Neubau Barrierefreiheit und mehr Platz für das Gemeindeleben bieten. Im Vorbescheid genehmigt ist bereits ein gut 16 Meter hoher Komplex, der im Vergleich zum etwa zehn Meter hohen Vorgängerbau um 90 Grad gedreht ist und parallel zur Helmpertstraße liegt. Für diesen Neubau sollen die drei Fichten fallen. Außerdem, sagt Kaiser, stehe dem Vorhaben ein Bergahorn im Weg. Es sei trotz Genehmigung noch nicht entschieden, in welcher Größe gebaut werde. "Besprechungen mit der Erzdiözese stehen noch aus."

Definitiv gestorben, so der Kirchenpfleger, sei mittlerweile die dritte Großbaustelle auf dem Gelände. Es geht um eine Verlängerung des Wohnriegels an der Lutzstraße 36, wo man ebenfalls Wohnungen für kirchliche Bedienstete bauen wollte. Auf der Grünfläche stehen etliche große Bäume. Die Nachbarn schätzen den grünen Korridor, der von der Lutzstraße aus den Blick freigibt aufs historische Kirchengelände. "Die LBK hat uns gesagt, dass dort gar kein Baufeld besteht und selbst das bestehende Haus Nummer 36 außerhalb des Baufeldes steht." Kaiser referiert aus den Papieren der Behörde: "Die Baugrenzen würden zudem erkennen lassen, dass aus stadtplanerischer Sicht die Freiflächen im Bereich der Lutzstraße eine Platzbildung an dieser Stelle beabsichtigt hätten."

Die Argumentation dürfte einige Anrainer der Lutzstraße in ihrem Urteil bestärken. Sie hatten unter anderem beklagt, dass durch einen massiven Wohnriegel an der Stelle die historische Sichtachse zur alten Kirche verbaut und der dörfliche Charakter des Stadtviertels damit zubetoniert werde. Nachdem die Neubaupläne der Pfarrgemeinde bekannt geworden waren, kam es zu deutlicher Missstimmung unter den Nachbarn. Kaiser kündigt an: "Wir haben damals versprochen, dass wir die Anwohner einladen und informieren, sobald es was Neues gibt, und das machen wird jetzt auch."

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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