Misslungene Operation:Immer wieder abgerutscht

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Beim Skifahren bricht sich ein Mann Oberarm und Oberschenkel. Drei Jahre nach der Operation sollen in einer Münchner Uni-Klinik die Schrauben entfernt werden. Doch die Ärzte scheitern. Das Gericht weist die Klage des Patienten nun ab.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Dieses Dilemma kennt jeder Heimwerker: Man hat nicht den zum Schraubenkopf passenden Schraubenzieher zur Hand, rutscht mit einem Ersatzschrauber immer wieder ab, schließlich leiert der Schraubenkopf aus und nichts geht mehr. So ähnlich lief es auch bei einer Operation in einer Münchner Uni-Klinik: Das Entfernen einer Knochenschraube missglückte - nach vier Stunden gaben die Handwerker im weißen Kittel auf. Mit einer Schmerzensgeldklage gegen die Doktoren ist der Patient vor der Arzthaftungskammer am Landgericht München I trotzdem gescheitert.

Beim Skifahren hatte sich der Mann aus Garching jeweils rechts den Oberarm und den Oberschenkel gebrochen. In der Unfallklinik Murnau wurde er operiert. Beide Brüche wurden "genagelt", der am Bein mit einem langen Gamma-Nagel. Der Name kommt von der Form: Die Kombination aus einer Schraube für den Hüftkopf und einem Nagel für den Oberschenkelhals sehen zusammengesetzt aus wie der griechische Buchstabe Gamma.

Nach drei Jahren sollten die Metallteile in der Münchner Klinik entfernt werden, was bei dem Oberarm-Nagel nur wenige Minuten dauerte. Das Drama der Nagelentfernung am Bein nahm seinen Anfang mit einer falschen Einschätzung des Arztes: Er hatte anhand des Röntgenbildes auf ein anderes Fabrikat getippt. Aus Patent-Gründen gestaltet nämlich jeder Hersteller seine Schrauben und Nägel etwas anders.

Die Ärzte gaben schließlich auf

Erst als die entsprechenden Körperstellen des in Vollnarkose liegenden Patienten aufgeschnitten waren, bemerkte der Doktor seinen Irrtum. Das speziell für diesen Schraubentyp notwendige Handwerkszeug gab es in der Klinik nicht. Deshalb griff der Operateur zu einem Universal-Set, mit dem er jedoch immer wieder scheiterte. Der leitende Oberarzt wurde zur Hilfe gerufen. Der schilderte später vor Gericht, dass von Imbuseinsätzen bis zu Linksträgerspindeln alle möglichen Instrumente ausprobiert worden seien.

Vor allem habe kein Schraubenzieher richtig gegriffen: Sie hatten nur zwei Schlitze, die Schraube jedoch einen Kopf mit Kreuzschlitz. Deshalb seien die Schraubendreher immer wieder abgerutscht: "Jedenfalls konnte nicht genug Kraft auf die Schraube gebracht werden, um die Verkantung zu lösen." Die Ärzte gaben schließlich auf, ließen wesentliche Stücke der mehrteiligen Schraube an Ort und Stelle und rieten dem Patienten, es dabei zu belassen. Der fuhr aber in die Unfallklinik Murnau, dort konnten alles in kürzester Zeit entfernt werden.

Gerichtssachverständige hielt das Vorgehen der Münchner Ärzte zunächst für grob fehlerhaft. Später revidierten sie ihre Meinung, nachdem sie das auf die Richterbank gelegte "Universal-Set" angeschaut hatten. Mit diesen Instrumenten sei die Nagelentfernung zwar weniger einfach, jedoch grundsätzlich möglich - darauf hätten die Uni-Ärzte vertrauen dürfen. Diese hatten zuvor erklärt, dass sie in Murnau den Typus des verwendeten Nagels abfragen wollten, jedoch keine Antwort erhalten hätten. Das Gericht folgte den Experten, dass es auch zulässig sei, die begonnene Entfernung fortzusetzen, um eine zweite OP zu vermeiden. Letztlich sei es nicht schädlich, Nägel notfalls in den Knochen zu lassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 18.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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