Marode Brücken in München:Aufprall mit Folgen

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Die Unterführung an der Dachauer Straße muss nach dem Unfall vom Freitag repariert werden. (Foto: Robert Haas)

Ein Lkw-Fahrer hat in der vergangenen Woche mit seinem Laster eine Unterführung in Moosach schwer beschädigt. Bis die Bahnverbindung wieder ohne Behinderungen funktioniert, wird es noch Wochen dauern. Auch andere Brücken sind baufälligem Zustand - doch sie zu reparieren oder neu zu bauen, ist zu teuer.

Von Marco Völklein

Am Montag gegen 10 Uhr rückte erneut ein Trupp mit Fachleuten der Deutschen Bahn an der Brücke über der Dachauer Straße in Moosach an. Mit Leitern, Messgeräten und Warnwesten ausgestattet, krabbelten die sechs Experten in der engen Unterführung herum, nachdem am Freitag ein italienischer Lkw-Fahrer mit seinem Laster die Brücke gerammt und schwer beschädigt hatte. Das gesamte Wochenende über war der Bahnverkehr gestört; und wie es aussieht, wird sich diese Situation eine ganze Weile hinziehen.

Wie geht es jetzt konkret weiter?

Nach Angaben eines Bahnsprechers muss die Brücke zumindest nicht abgerissen werden. Es reiche aus, den beschädigten Stahlträger zu ersetzen und die Gleise sowie die Weiche auf der Brücke zu reparieren. Wann allerdings damit begonnen werden kann, blieb am Montag offen. Die Bauleute der Bahn müssten erst intern klären, wann ein Bautrupp für diese Arbeiten zur Verfügung steht, so der Sprecher weiter. Damit ist auch offen, von welchem Zeitpunkt an und in welchem Umfang die Dachauer Straße in Moosach für den Kfz-Verkehr wieder gesperrt wird, damit die Bauarbeiter an der Brücke arbeiten können.

Einige Münchner Bahnbrücken sind derzeit marode: so zum Beispiel die Brücken über die Tumblingerstraße. (Foto: Robert Haas)

Ab wann sollen die Züge wieder fahren?

Intern haben die Bahn-Ingenieure bereits einen Terminplan festgeklopft. Demnach soll möglichst von Freitag, 19. September, an die Brücke wieder voll funktionsfähig sein, der Bahnbetrieb also wieder ohne Störungen laufen. Der Termin ist deshalb so wichtig, weil am 20. September das Oktoberfest beginnt - und damit auch der Ansturm der Wiesn-Besucher auf die Züge.

Was bedeutet das für die Fahrgäste?

Die müssen sich weiter in Geduld üben. Bis voraussichtlich 19. September endet die S 1 von Freising/Flughafen kommend in Feldmoching. Zwischen Feldmoching und Hauptbahnhof fällt die S 1 komplett aus. Die Züge des Regionalverkehrs passieren in Richtung Landshut mit vermindertem Tempo die Stelle; von Landshut kommend werden sie auf abenteuerlichen Pfaden durch den Münchner Norden zum Hauptbahnhof geführt. Zusätzlich halten die Regionalzüge in Feldmoching und Moosach.

Auch die Braunauer Eisenbahnbrücke weist laut Bahn gravierende Schäden auf. (Foto: Robert Haas)

Wer zahlt den Schaden?

Laut Polizei ist an der Brücke ein Schaden von mindestens fünf Millionen Euro entstanden. Die Bahn will sich dazu bislang nicht äußern. Klar ist aber: "Den Schaden werden wir bei der Haftpflichtversicherung des Fuhrunternehmens geltend machen", sagt ein Sprecher. In dem Fall ist das eine Firma in Österreich. Die Versicherung wiederum könnte zumindest nach deutschem Recht den Fahrer nicht in Regress nehmen, sagt Stephan Schweda vom Gesamtverband der Versicherungsbranche (GDV) - jedenfalls nicht allein deshalb, weil er die zahlreichen Warnschilder und Blinklichter an der Brücke nicht beachtet hat. Anders sehe es aus, wenn er zum Beispiel Alkohol im Blut gehabt oder Drogen genommen hätte, sagt Schweda. Das allerdings war laut Polizei nicht der Fall.

Wie oft kommt es zu solchen Vorfällen?

Das ist unklar. Schwere Unfälle wie der vom Freitag sind Gott sei Dank selten. Zuletzt hatte der Fahrer eines Reisebusses mit Schülern im Sommer 2013 die Unterführung in Moosach unterschätzt und war mit seinem Doppeldeckerbus gegen die Decke gekracht. 40 Menschen wurden teils schwer verletzt. Anwohner in Sendling und der Isarvorstadt erleben es auch immer wieder, dass Lkws in den Unterführungen in der Isartalstraße und der Tumblinger Straße stecken bleiben - oder in den engen Straßen wild rangieren müssen, weil sie die Höhen falsch eingeschätzt haben. Nicht selten müssen Streifenpolizisten dann anrücken und die Straße kurzzeitig absperren. Zahlen darüber, wie oft dies geschieht, liegen im Polizeipräsidium aber nicht vor.

Wieso tut die Stadt nichts dagegen?

Die kritische Unterführung in der Dachauer Straße ist seit Jahren ein Streitthema. Die Stadt würde die Brücke gerne umgestalten, um die Gefahrenstelle zu entschärfen. Stadtviertelpolitiker und Anwohner befürchten aber, dass noch mehr Schwerlastverkehr durch Moosach rumpelt, sollte die Stelle irgendwann einmal bequem und ohne Komplikationen zu passieren sein. Ähnlich sieht es an vielen anderen Stellen in der Stadt aus, an denen es eng zugeht. Die Stadt hat zwar ein Konzept entwickelt, in dem die Hauptschwerlastrouten festgelegt und Engstellen benannt wurden - konkrete Umbaumaßnahmen allerdings wurden darin nicht beschlossen.

Was wurde denn in Moosach getan?

Nachdem im vergangenen Sommer der Doppeldeckerbus gegen die Brücke gerauscht war, inspizierten Fachleute von Stadt und Polizei die Stelle - und beschlossen, die vorhandenen Warnhinweise zu erneuern und zusätzliche Schilder aufzustellen, Blinkleuchten zu installieren und Warnungen auf die Straße zu pinseln. Der italienische Lkw-Fahrer allerdings schaute laut Polizei dennoch vor allem auf sein Navigationsgerät - und ignorierte die Warnungen.

Gibt es denn keine speziellen Navigationsgeräte für Lkw-Fahrer?

Doch, die gibt es, sagt Axel Arnold vom ADAC. Die zeigen Höhenbeschränkungen, Gewichtsbegrenzungen oder Durchfahrtsverbote durchaus an. Allerdings stattet offenbar nicht jeder Spediteur seine Fahrer mit dieser speziellen Technik aus, vermutlich auch, weil die Lkw-Navis teurer sind als die Geräte für Pkw-Fahrer. ADAC-Mann Arnold appelliert daher an die "Sorgfaltspflicht der Spediteure": Die müssten die Fahrerkabinen mit den richtigen Geräten bestücken, um Unfälle wie den in Moosach zu verhindern. Laut Polizei hatte der Moosacher Unfallfahrer aber sogar ein solches Spezial-Lkw-Navi installiert. Warum es dennoch zu dem Unfall kam, das müssen nun die weiteren Ermittlungen zeigen.

Könnten "Lkw-Lotsen" helfen, die sich in München auskennen?

Sicher, das wäre ein weiterer Ansatz. In den Achtziger- und Neunzigerjahren, vor der Erfindung der Navi-Technik, gab es das sogar. Lkw-Fahrer konnten ein Taxi ordern, das sie dann durch München lotst. Den Service bietet die Taxizentrale zwar immer noch an, "genutzt wird er aber so gut wie gar nicht mehr", sagt Frank Kuhle von der Taxi München eG. Als er selbst noch Taxi gefahren sei, in den Neunzigerjahren, sagt Kuhle, sei er "alle zwei Wochen" als Lkw-Lotse angefordert worden.

Kein schöner Anblick: die düstere Lindwurmstraßen-Unterführung. (Foto: Robert Haas)

Lässt sich das Problem nicht auch mit anderen technischen Hilfsmitteln lösen?

Im Aubinger Tunnel an der A 99-West zum Beispiel gibt es eine Laser-gestützte Höhenkontrolle. Nähert sich ein zu hoher Lkw dem Tunnel, erfasst das Messgerät den Laster - und löst einen Alarm aus. Dann springen automatisch Ampeln am Tunnelportal auf Rot, Schranken gehen leicht zeitversetzt runter. Der Lkw wird gestoppt. Das Problem ist: Das Messgerät muss in einiger Entfernung errichtet werden, damit die Technik genug Zeit hat, um zu reagieren und den Lkw zu stoppen. Dennoch hatten Fachleute der Stadt im Sommer 2013 beschlossen, die Errichtung eines solchen Systems in Moosach zu prüfen - bislang allerdings ohne ein Ergebnis.

Und was ist mit "Klingelbalken"?

Diese Systeme gibt es vielerorts: In einiger Entfernung zur Brücke wird eine Stützkonstruktion errichtet, an der quer über die Straße große Bleche an Ketten baumeln. Sobald ein zu hoher Lkw drunter durch will, machen die Bleche einen Riesenlärm; der Fahrer wird gewarnt. Die Bleche verursachen mitunter aber auch Schäden an den Lastern. Zudem müssen die Geräte immer wieder gewartet werden, schränken Fachleute ein. In Moosach wiederum gebe es dafür nicht genügend Platz, mit diesem Argument hatten zuletzt die Experten der Stadt entsprechende Vorschläge von Anwohnern abgeschmettert. Dennoch: "Irgendetwas muss da jetzt gemacht werden", fordern Anwohner. Und auch die CSU hat per Stadtratsantrag "ein Programm mit Sofortmaßnahmen" verlangt.

© SZ vom 02.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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