Suche nach Unterkunft:"Menschenpflicht, Flüchtlingen zu helfen"

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Lochhausen hat noch freie Flächen, wie dieser Blick auf die Gaststätte "Deutsche Eiche" zeigt. (Foto: Stephan Rumpf)

Im 22. Stadtbezirk sollen 1800 Asylsuchende vorübergehend eine Bleibe finden, viele davon in Lochhausen. Die CSU spricht von einer "Schieflage", gemeinsam mit SPD und Grünen ergeht der Ruf nach mehr Information

Von Ellen Draxel, Lochhausen

Für 24 Flüchtlinge zwischen 18 und 25 Jahren wird Lohhausen neue Heimat. Die jungen Menschen, die alle eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und entweder noch zur Schule gehen oder eine Ausbildung absolvieren, sollen Wohnungen an der Ziegeleistraße 12-16 beziehen. Die Häuser werden derzeit grundsaniert; voraussichtlich Anfang Juli werden die ersten beiden Gebäude fertig sein und können mit zwölf der jungen Erwachsenen belegt werden. Ende August, Anfang September sollen dann auch die anderen zwölf Bewohner einziehen können.

Betreut werden die in Zweier- oder Vierer-Wohngemeinschaften lebenden Heranwachsenden von vier Sozialpädagogen. Unbegleitete heranwachsende Flüchtlinge sind in der Regel schon als Kinder oder Jugendliche den Kriegswirren ihres Heimatlandes entronnen, sie benötigen sensible Unterstützung bei der Bewältigung ihrer traumatischen Kriegs- und Fluchterlebnisse. Durchschnittlich drei Jahre leben die oft schon sehr selbständigen jungen Menschen in den Wohngemeinschaften, bevor sie in eigene Wohnungen umziehen.

Lochhausen soll darüber hinaus auch Domizil für akut Hilfsbedürftige werden: Voraussichtlich im Herbst werden Asyl suchende Menschen Pavillons am Ortsrand beziehen. Das Sofortprogramm des Sozialreferates vom 20. Mai sieht eine Unterkunft an der Langwieder Hauptstraße vor, wo theoretisch "bis zu 300 Bettplätze geschaffen" werden könnten.

Das Grundstück, um das es geht, ist 32 000 Quadratmeter groß, im Flächennutzungsplan sind von der Gesamtfläche aber nur 6000 Quadratmeter als allgemeine Wohnfläche ausgeschrieben. Deshalb sind nach Informationen des Bezirksausschusses Aubing-Lochhausen-Langwied dort zunächst nur drei zweigeschossige Wohngebäude für jeweils 66 Bewohner vorgesehen. Ein Antrag der lokalen CSU, die Belegung auf diese insgesamt 198 Plätze zu beschränken, wurde in der jüngsten Sitzung des Stadtteilgremiums mit den Stimmen von SPD und Grünen abgelehnt, bei einer Patt-Situation von zehn zu zehn. "Wir wollten damit dem Sozialreferat frühzeitig mitteilen, dass wir 300 Menschen, die traumatisiert sind und Hilfe brauchen, für zu viel für so einen kleinen Ort halten", erklärt der BA-Vorsitzende Sebastian Kriesel (CSU). Lochhausen hat 5500 Bewohner und sehr wenig Infrastruktur, es gibt nicht einmal einen Supermarkt: "Wir sehen ganz klar unsere Verantwortung, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Aber das Ganze muss auch für alle sozialverträglich umgesetzt werden." Sozialdemokraten und Grüne dagegen empfanden das Veto als zu früh: "Wir wollen erst mal die konkretere Planung abwarten", sagt Brigitta Bacak (SPD), die Vorsitzende des Unterausschusses Soziales.

Bedenken äußerten auch einige Bürger. Die Wiese, auf die die Gebäude gestellt werden sollen, sei häufig überflutet, da in Langwied das Grundwasser so hoch sei. Andere Nachbarn wollen helfen, schlagen einen kommunikativen Treffpunkt vor, wünschen sich einen Spielplatz für die neuen Bewohner. Noch nicht entschieden ist, ob eine bereits bestehende Gemeinschaftsunterkunft an der Kronwinkler Straße 41 von derzeit 48 auf 180 Plätze aufgestockt werden soll. Diese Erweiterung könnte 2016 realisiert werden, sie wird noch durch die Regierung von Oberbayern geprüft; das Grundstück gehört dem Freistaat.

Angesichts der zunehmenden Zahl an Unterkünften im Stadtbezirk bittet der Bezirksausschuss Aubing-Lochhausen-Langwied das Sozialreferat, eine Informationsveranstaltung zu organisieren. Bei einem solchen Abend sollen nicht nur die Flüchtlingsstandorte vorgestellt und die Betreuung der Asylsuchenden erläutert werden. Aufgezeigt werden sollen auch Möglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements. Von den etwa 18 000 Flüchtlingen im ganzen Stadtgebiet werden etwa 1800 nach derzeitigen Plänen im 22. Stadtbezirk eine vorübergehende Bleibe finden, ein Zehntel aller Hilfebedürftigen. Laut Kriesel entspricht das 4,3 Prozent der lokalen Bevölkerung, stadtweit liege der Anteil aber bei nur einem Prozent.

Dieses Missverhältnis haben Kriesel und sein CSU-Kollege im Bezirksausschuss, Stadtrat Johann Sauerer, vor kurzem öffentlich kritisiert und sind dafür vom SPD-Landtagsabgeordneten für den Münchner Westen, Florian Ritter, scharf kritisiert worden. Die Äußerungen der Lokalpolitiker schürten "Verunsicherung und Misstrauen bei den Anwohnern" und seien deshalb "unverantwortlich", rügt Ritter. "Zwist und Ängste zu schüren", widerspricht Kriesel, "ist bestimmt nicht unser Ziel". Er sei von Ritters Pressemitteilung "echt schockiert" gewesen - und tief verletzt: "Ich bin wirklich ein sehr sozialer, liberaler Mensch. Aber es muss auch möglich sein, Schieflagen sachlich anzusprechen."

In der jüngsten Sitzung des Stadtteilgremiums, in der fraktionsübergreifend und mit Vertretern des Sozialreferates konstruktiv über Flüchtlingsthemen debattiert wurde, war Ritter - ein Lochhausener - nicht dabei. Brigitta Bacak, wie Ritter SPD-Mitglied, sagt: "Es ist unsere Menschenpflicht, Flüchtlingen zu helfen." Deshalb sei es richtig, dass die Stadt jetzt Vorsorge treffe: "Damit die Menschen ordentlich untergebracht sind. Im Winter sollte niemand gezwungen sein, in Zelten und Turnhallen zu übernachten." Das können auch Kriesel und Sauerer so unterschreiben.

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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