Unterschleißheim:Ladensterben nach Plan

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Die Versorgung mit Lebensmitteln durch das Rote Kreuz steht symbolisch für die Verödung des Unterschleißheimer Stadtzentrums. (Foto: Catherina Hess)

Kritiker geben der Stadt die Schuld an der Verödung des Unterschleißheimer Rathausplatzes. Bürgermeister Böck verspricht, dass alles besser wird.

Von Klaus Bachhuber, Unterschleißheim

Ein Lebensmittelbus des Roten Kreuzes, der zwei Stunden pro Woche auf dem Unterschleißheimer Rathausplatz das Nötigste verkauft: Was vom Stadtrat als gut gemeintes Serviceangebot an die Senioren der Umgebung beabsichtigt war, markiert nun als PR-Debakel den vorläufigen Tiefpunkt der Krise des zentralen Platzes, der in den Achtzigerjahren als Kunstprodukt angelegt worden war. Mit dem Auftrag eines städtebaulichen Wettbewerbs für den Platz will eine Stadtratsmehrheit nun die Wende einleiten. Viel zu spät und völlig untauglich, monieren die Kritiker.

Der schleichende Niedergang des IAZ, des als Einkaufsmagnet konzipierten Blocks am Westende des Platzes, kulminierte Anfang des Jahres, als der Edeka-Markt zusperrte und die Nahversorgung für etwa 11 000 Unterschleißheimer wegfiel. Die Bürgermeister Rolf Zeitler (CSU, bis 2015) und Christoph Böck (SPD) sowie ihre jeweiligen Stadtratsmehrheiten hätten "das IAZ sehenden Auges kaputt gehen lassen", monierte ihr diesbezüglich schärfster Kritiker Martin Reichart von der Freien Bürgerschaft (FB) jüngst.

Seit zehn Jahren sei nichts mehr saniert worden

Für Reichart ist der Kern der Misere die unbedingte Verbindung einer Entwicklung des IAZ mit dem Schicksal des benachbarten Post-Gebäudes. Seit diese Pläne in der Welt waren, seit mehr als zehn Jahren, sei "am IAZ nichts mehr saniert worden", rügt Reichart, alle Verwalter und seit 2015 der neue zentrale Investor "Rock Capital" hätten nur noch auf die Neuausrichtung hingearbeitet.

"Eine verkrampfte Idee", urteilt er. 2012 wurden schon konkrete Pläne des damaligen Investors vorgelegt, der beide Objekte erwerben wollte. Da wäre eine gemeinsamen Entwicklung "zumindest praktikabel" gewesen, findet Reichart, aber seit zwei unterschiedliche Eigentümer feststanden, sei diese Idee für ihn geplatzt.

Der neue Eigentümer der Post, der benachbarte Betreiber der "Rathaus-Apotheke" Robert Müller, legte 2014 unverzüglich Pläne zur Nutzung der Immobilie vor, mit einem Einkaufsmarkt im Erdgeschoss und Büros und Arztpraxen darüber. Die Stadt hielt aber an der Verknüpfung des Postgeländes mit dem IAZ fest und unternahm keine Schritte, Müllers Pläne aufzugreifen.

Bürgermeister Christoph Böck (SPD) verteidigt den ganzheitlichen Ansatz. "Ein Supermarkt am Platz reicht nicht", betont er, "wir wollen dort wieder ein funktionierendes Einkaufszentrum und dafür muss eine Gesamtlösung her." In die will er auch Erweiterungspläne des Rathauses einbezogen sehen und eine Tiefgaragenlösung für alle Beteiligten. Eine Entwicklung mit dem IAZ sei bislang nicht möglich gewesen, weil die dazu notwendige Einstimmigkeit unter den circa 180 Teileigentümern der einzelnen Einheiten nicht zu erreichen war.

Der Investor verspricht absolute Kooperation

In der alten Post aber könnte ein Einkaufsmarkt heute schon geöffnet haben, hätte Böck das Projekt von Müller gleich aufgegriffen, wettert Reichart; dann hätte man jetzt einen Einkaufsmarkt in der Post und im IAZ dauerhaft eine Ruine, kontert der Bürgermeister. Für Böck ist nun ohnehin der Durchbruch geschafft. "Rock Capital" hat erst jüngst auch noch die letzten Anteile im IAZ gekauft und ist nun alleiniger Eigentümer des gesamten Komplexes.

Und der Immobilieninvestor aus Grünwald verspricht der Stadt absolute Kooperation. "Wir planen jetzt gemeinsam mit dem direkt angrenzenden Postgrundstück und dem Rathaus", schreibt der Investor in einer Pressemitteilung. Auch die Bürger sollen beteiligt werden, wenn die Planentwürfe vorliegen, verspricht Rock Capital. Das IAZ muss allerdings weichen. Das neue Stadtzentrum soll mit einem Mix aus Läden, Büros und Wohnungen bestückt werden, auch ein Hotel solle integriert werden, sagt ein Firmensprecher.

Die Stadt habe durch ihre Politik "schon viele Läden, die Nahversorgung und bald auch Ärzte vom Rathausplatz vertrieben", schimpfte Apotheker Müller. Nicht zuletzt ist auch das Radiologiezentrum, das er im Postgebäude ansiedeln wollte, mittlerweile in den Business Campus gezogen. "Böck traut sich an die Sache nicht ran", kritisiert Stadtrat Reichart, der Wettbewerb sei nur der klägliche Versuch, das Thema über die nächsten Kommunalwahlen zu retten. Ein konkreter Antrag von Grünen und ÖDP, unterstützt von FB und FDP, das Postgelände separat und unverzüglich zu entwickeln, wurde von einer Mehrheit aus CSU und SPD im Stadtrat nicht mal zur Beratung zugelassen; mit dem gerade beauftragten Wettbewerb für eine Gesamtlösung sei der Vorstoß hinfällig.

Dass die Situation durch den Auszug von Edeka eskaliert sei, ist für Rock Capital "nicht nachvollziehbar". Der Konzern habe dort wegen der stetig sinkenden Qualität im IAZ seit eineinhalb Jahren nur noch weniger als die Hälfte des üblichen Mietpreises bezahlen müssen, schreibt der Investor. Ein Konkurrent sagte schließlich ab, weil er die Investitionen wegen der ungewissen Zukunft scheute. So bleibt es vorerst beim Lebensmittelbus des Roten Kreuzes. Und bei den Vorstellungen von Rock Capital Geschäftsführer Christian Lealahabumrung: "Ich bin mir sicher, dass wir hier ein lebendiges Stück Unterschleißheim gestalten können."

© SZ vom 24.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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