Unterhaching:Per Du mit Pythagoras

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Susanne Armbruster hat das Abitur hinter sich und die Mathe-Olympiade in Hongkong vor Augen. (Foto: Claus Schunk)

Susanne Armbruster vom Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching liebt Zahlen und Formeln. Sie tritt mit zwei anderen Schülern aus Bayern bei der "Mathe-Olympiade" in Hongkong an. Ihr Bruder Alexander hat die Qualifikation nur knapp verpasst

Von Anna Hordych, Unterhaching

Sie darf ihre Rechenkunst in Hongkong unter Beweis stellen: Susanne Armbruster gehört zu jenen sechs Schülern, die sich bundesweit für die "Internationale Mathematik Olympiade" in Asien qualifiziert haben. In der letzten Runde am Mathematischen Forschungsinstitut in Oberwolfach schaffte die Schülerin aus Unterhaching den großen Sprung; sie war eine der 16 Teilnehmenden, die in den sieben Auswahlklausuren am besten abgeschnitten haben. Es ist eine Auszeichnung, für die Susanne fast prädestiniert war: Die talentierte Schülerin des Lise-Meitner-Gymnasiums nimmt seit der 7. Klasse an der bayerischen Spitzenförderung teil und ist seit Jahren Gast beim Bundeswettbewerb für Mathematik oder bei der bayerischen Mathe-Olympiade.

Und irgendwie liegt das Talent dafür in der Familie. Auch ihr jüngerer Bruder Alexander war in Oberwolfach mit von der Partie und verpasste das Ziel nur knapp. Mit Susanne Armbruster fahren aus Bayern Martin Drees aus Nürnberg und Manfred Paul aus Würzburg zur Olympiade nach Hongkong. Außer den drei Schülern aus dem Freistaat haben sich Branko Juran aus Berlin sowie Sebastian Meyer und Ferdinand Wagner aus Sachsen qualifiziert.

Jetzt ist es noch ein Tag bis Susanne und die anderen am Donnerstag, 7. Juli, dann im Flugzeug gen Asien sitzen. Hinter ihr liegen Monate der intensiven Vorbereitung, fünf Trainingsseminare hat sie seit Februar besucht. Erstaunlich entspannt sitzt die junge Kandidatin jetzt wenige Tage vor dem großen Ereignis in der Sonne, ihre Schulzeit neigt sich dem Ende zu, parallel zu den Auswahlprüfungen hat sie Abitur geschrieben.

"Ich war in der letzten Zeit viel unterwegs, für die Auswahlrunden bin ich quer durch Deutschland gereist, daher sind die Wochenenden für die Abiturvorbereitung schon mal weggefallen", sagt Susanne. Trotzdem wirkt sie recht zuversichtlich, die Prüfungen sind gut verlaufen. Auch Fächer wie Physik oder Informatik fallen ihr leicht. Bei den Lehrern konnte Susanne teils auf Verständnis hoffen: Schließlich hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Schülerin einfach etwas mehr Zeit in das Fach Mathe investiert als andere und deshalb tagelang fehlt.

"Das heißt aber nicht, dass ich jeden Tag drei Stunden lang Aufgaben durchrechne", macht die 18-jährige Unterhachingerin deutlich, "eher fällt mir die Logik des Ganzen zu, wenn ich also im Unterricht sitze, ist es leicht, die Theorie nachzuvollziehen". Es sei schlichtweg reizvoll, noch etwas mehr in die Tiefe zu gehen. "In der Schule arbeitet man beispielsweise mit dem "Satz des Pythagoras, - in Mathe-Camps versteht man aber, dass es noch Hunderte solcher Ansätze gibt", erklärt Susanne, die plant, im Herbst ein Mathematik-Studium in Bonn aufzunehmen. Durch die Teilnahme an der Mathe-Olympiade ist sie automatisch Stipendiatin der deutschen Studienstiftung. Eine willkommene Entlastung für die 18-Jährige, die im Herbst einen neuen Lebensabschnitt beginnen möchte.

Bereits im 19. Jahrhundert gab es in Österreich-Ungarn erste Veranstaltungen, bei denen Mathematiker in Konkurrenz ihr Können zeigten. Mit der Internationalen Mathe-Olympiade (IMO) begann im Jahr 1959 die moderne Ära solcher Wettbewerbe. Erstmals traten damals in Rumänien sieben Länder des ehemaligen Ostblocks an. Früh beteiligte sich die Mongolei, Finnland machte mit. Es kamen von Jahr zu Jahr neue Länder dazu. 1975 beteiligten sich Mathematiker aus den USA. Die Veranstaltung findet Jahr für Jahr in einem wechselnden Gastland statt und hat sich zu einer beliebte Plattform für Jung-Mathematiker der ganzen Welt entwickelt. Um die 600 Teilnehmer aus 100 Ländern zählt die Olympiade in diesem Jahr. Meist schneiden die Kandidaten aus China oder der USA erfolgreich ab. Susanne lässt sich davon nicht beirren: "Die sind halt sehr viele und haben ein systematisches und effektives Trainingsverfahren." Das deutsche Team kann sein Können dieses Jahr in zwei Klausuren unter Beweis stellen. Bis zum 16. Juli werden sich die sechs Jugendlichen in Hongkong aufhalten - neben den Prüfungen sei auch die eine oder andere Exkursion geplant, sagt Susanne.

"Die ersten Tage bis hin zu den Tests bin ich sicher sehr angespannt", vermutet die Kandidatin, "aber dann würde ich mich freuen, einfach eine gute Zeit gemeinsam mit den anderen zu verbringen und auch etwas von Hongkong zu sehen." Zwei Delegierte des deutschen Teams müssten sich beim Ablauf der Olympiade bereits auskennen; Sebastian Meyer und Ferdinand Wagner aus Sachsen sind Wiederholungsgänger, sie waren schon im vorigen Jahr mit von der Partie - da ging es zum Wettbewerb nach Thailand.

Um genau diese Erfahrungen auszuloten und möglichen Barrieren vorzubeugen, haben sich die sechs Jugendlichen Ende Juni zu einem Intensivtraining getroffen. "Wir wollten uns in der "Mitte" treffen und haben herausgefunden, dass die Stadt Göttingen am günstigsten liegt", berichtet die Schülerin, die nebenher im Verein TSV Unterhaching zweimal die Woche zum Volleyball geht, turnt und Klavier spielt. Die letzte Stufe der Vorbereitung, das Intensivtraining, lief wie immer "ohne Anleitung" ab. Die Jugendlichen tauschten sich schlichtweg untereinander über Aufgaben und Lösungswege aus.

Das professionelle Coaching hätten in Rostock, Bad Homburg oder zuletzt Oberwolfach "vor allen Dingen Professoren und Doktoren übernommen", sagt Susanne. Unter diesem Aspekt seien gerade die acht Tage am Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach beeindruckend gewesen: Dort würden bekannte Mathematiker der ganzen Welt ein- und ausgehen. "An den Konferenzen haben wir zwar nicht direkt teilgenommen, aber zwischen unseren Seminaren konnte man ohne Probleme mal einen Kaffee mit Vortragenden und internationalen Forschungsgästen trinken", erinnert sich die Schülerin.

Ein krönender Abschluss ist der Aufenthalt in Oberwolfach aber wohl auch deshalb, weil dort jedes Jahr einer der 16 Teilnehmer in den Fluss, die "Wolf" springen muss. Und zwar nicht die Person, die in den Klausuren am schlechtesten abgeschnitten hat, sondern diejenige, die ihre eigenen Leistungen am derbsten unter- oder überschätzt hat: "Es gibt eine Liste, in die trägt jeder ein, wie gut er sich in den Aufgaben geschlagen hat", beschreibt Susanne, "derjenige, dessen Differenz zwischen Schätzwert und realem Punktestand am größten ist, muss baden gehen - zur Not wird er hineingeschleift", sagt die Schülerin und lacht.

Dieses Jahr habe es Branko Juran aus Berlin getroffen; aber das Wetter seit ganz gut gewesen - über kurz oder lang haben ihn einige Seminarteilnehmer beim Schwimmen begleitet, auch Susanne war darunter.

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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