Unterhaching:Ludwigs kleiner Bruder

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Biograf Jean Louis Schlim spricht über Otto von Wittelsbach

Von Michael Morosow, Unterhaching

Über das Leben und den mysteriösen Tod des Märchenkönigs Ludwig II. haben sich Historiker aus aller Welt bereits die Finger wund geschrieben. Die nicht minder tragische Vita seines jüngeren Bruders Otto hingegen wird auch heute noch als kleiner Abnäher am lange wallenden Mantel der bayerischen Geschichte gesehen. Dass Otto von Wittelsbach (geboren am 27. April 1848 in München; gestorben am 11. Oktober 1916 auf Schloss Fürstenried) aufgrund paranoider Wahnvorstellungen nicht regierungsfähig war, ist weitgehend bekannt. Aber wer den Königssohn auf seine psychische Instabilität reduziert, wird ihm nicht gerecht. Otto hat sehr wohl eine wichtige Rolle in der Entwicklung der bayerischen Geschichte gespielt, bevor er, von seiner psychischen Erkrankung gezeichnet, seine letzten Lebensjahre unter ärztlicher Aufsicht im Schloss Fürstenried verbrachte.

Der gebürtige Luxemburger und Wahlmünchner Jean Louis Schlim, wandelte zehn Jahre lang auf den Spuren des verhinderten Königs, wälzte Kabinettsakten, las Korrespondenzen und hatte vor allem das Glück, im Hausarchiv der Wittelsbacher recherchieren zu dürfen. Herausgekommen ist ein 200 Seiten umfassendes Werk mit einer ganzen Reihe bislang nicht veröffentlichter Fotos, in dem der Autor das außergewöhnliche Leben Ottos I. von Bayern nachzeichnet, "Im Schatten der Macht" lautet der Titel des 2016 im August Dreesbach Verlag erschienenen Buches. Am Dienstag, 24. Januar, hält Schlim im Unterhachinger Kubiz, Jahnstraße 1, einen Vortrag über seine Recherche sowie den Menschen Otto und dessen beiden Leben vor und nach dem Ausbruch der Krankheit. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr.

Otto sei ein sehr zerrissener Mensch gewesen, auf der einen Seite liebenswürdig, recht anhänglich und sensibel. Auf der anderen Seite ein Haudegen, der gerne auf die Jagd ging und mit beiden Beinen auf der Erde stand, sagt Schlim. Nachdem über Otto nur wenige Dokumente vorliegen, saugte der Autor den meisten Honig aus den Akten von Therese, der Tochter von Prinzessin Auguste und Luitpold, die offenbar unsterblich verliebt war in den schneidigen Burschen und sich nach dessen Tod um seinen Ruf sorgte.

In ihren Erinnerungen "Die Geschichte meines Herzens" heißt es: "Ich schreibe dies Alles hier nieder, da sich später eine ganze Legende und die unrichtigsten und verlegensten Erzählungen über seine Erkrankung im Volke breit machten, indessen die eingeweihten wussten, dass er wohl schon mit diesen traurigen geistigen Veranlagungen das Licht der Welt erblickt hat." Diese Verehrung sei einseitig gewesen, Otto habe Therese zwar sehr geschätzt, aber nicht geliebt, schreibt Schlim. Dennoch: Die Beziehung der beiden zieht sich wie ein roter Faden durch das historische Werk.

Die Anlagen zur späteren geistigen Verwirrtheit, so Schlim, seien Otto und Ludwig zwar in die Wiege gelegt worden. Auslöser für die Krankheit seien nach seiner Überzeugung jedoch Kriegserlebnisse gewesen, insbesondere das Massaker von Bazeilles am 1. September 1870, das die deutschen Truppen anrichteten und dessen Zeuge der Soldat Otto werden musste. "Hatte der Knabe bis dahin mit seinen Zinnsoldaten gespielt, bekommt er nun zu hören, wie Menschen und Tiere gleichermaßen schreien können vor Schmerzen", erklärt Autor Schlim. Diese Schlacht, bei der auch sein Cousin Ludwig, späterer König Ludwig III., von einer Kugel im Bein getroffen wurde, habe Otto den Rest gegeben. Als Kriegsheimkehr hab e er laut mehreren Berichten zu Aggressivität und Wut geneigt.

Otto ist in Schlims Werk klar die Hauptfigur, aber nachdem der Autor auch ein ausgewiesener Ludwig-II.-Experte ist, kommt auch der Märchenkönig zu seinen Ehren, nicht zuletzt wegen seines mysteriöser Tod im Starnberger See. Es war ein Unglücksfall, ist sich Jean Louis Schlim (fast) sicher.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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