Unterhaching:Blätter, die nicht fallen

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Ein Baum aus Bronze erinnert in Unterhaching an Verstorbene

Von Michael Morosow, Unterhaching

Wie aus der Zeit gefallen steht das kleine Bäumchen auf dem Unterhachinger Gottesacker, starr und regungslos, als hätte sich ein Eispanzer um Stamm und Äste gelegt. Das Leben ist vergänglich, an welchem Ort lässt sich das eindringlicher spüren als auf einem Friedhof. Zumal im Spätherbst, wenn der Wind die Blätter von den Zweigen bläst und bis auf die nackte Rinde entkleidete Bäume zurücklässt. Dieses Schicksal muss das kleine Bäumchen nicht befürchten, kein Wind, kein Orkan dieser Welt könnte auch nur ein einziges seiner 168 Blätter wegblasen. Sie sind aus Bronze geschmiedet wie auch alle Äste, der Stamm und selbst die Wurzeln, die sich an einem Stein festklammern. Der Unterhachinger Bronzeschmied Kaspar Dietmar hat dieses Kunstwerk in einem halben Jahr Arbeit geschaffen, in alpenländischer Schmiedekunst, wie Karin Kirsch vom Oberhachinger Steinmetzbetrieb "Steinhaus Dr. Kirsch" präzisiert. Das Steinfundament bildet ein Findling aus Untersberger Granit, den Betriebsinhaber Karl-Heinz Kirsch, ein promovierter Geologe, aus der Region Berchtesgaden hat herbeischaffen lassen. Das Bronzebäumchen steht nicht nur sinnbildlich für eine allmählich in Mode kommende Baumbestattung. Die 168 beschriftbaren Bronzeblätter geben auch Auskunft darüber, welche Menschen hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Die Schrift - Namen der Verstorbenen sowie Geburts- und Sterbedaten - wird dabei aus Blattgold aufgelegt. Eine Gravur käme zu teuer, sagte der Unterhachinger Rathaussprecher Simon Hötzl. Es ist aber auch eine anonyme Bestattung unter dem Baum möglich. Die Urnen sind biologisch abbaubar und werden in vorgegebene Bodenhülsen unter dem Baum eingeführt, damit bleibt die Rasenoberfläche weitgehend unversehrt. Diese neue Möglichkeit ist laut Hötzl in Unterhaching auch deshalb eingeführt worden, weil vielen Menschen die Grabpflege zu aufwendig und zu teuer geworden ist und viele Angehörige auch nicht in Unterhaching wohnen. Deshalb sei auch nicht vorgesehen, dass dort Kränze oder Blumen abgelegt werden. Für das Oberhachinger Unternehmen "Steinhaus Dr. Kirsch" ist das geschmiedete Bronzebäumchen eine Art Prototyp. "Wir hoffen auf Nachfolgeaufträge", sagt Karin Kirsch. Und sie hat auch schon eine vage Vorstellung davon: "Es könnte ein Ginkgo-Baum werden als Sinnbild des ewigen Lebens." Foto: Claus Schunk

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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