Unterföhring:Fast wie ein Dorf

Mit dem Neubau auf dem Campus im Unterföhringer Gewerbegebiet entsteht vor den Toren der Stadt der weltweit größte Standort der Allianz mit mehr als 8000 Mitarbeitern

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

2000 Kilogramm Fleisch, 1000 Kilo Salat, 1400 Kilo Bio-Kartoffeln, 600 Kilo Gemüse und 1200 Liter Bio-Milch: So liest sich die Wochen-Einkaufsliste für die zwei Restaurants auf dem Allianz-Campus in Unterföhring. Das alles wird von 42 Beschäftigten in den beiden bestehenden Großküchen auf dem Gelände des Konzerns verarbeitet. Sie machen daraus fünf bis sieben Hauptgerichte, Antipasti und Desserts, die mittags von durchschnittlich 4500 Mitarbeitern verspeist werden. Anfang nächsten Jahres werden die Köche und weitere 21 neue Kollegen an den Töpfen noch mehr zu tun haben. Dann wird der Allianz-Neubau, intern Haus 4 genannt, bezogen, samt zusätzlicher Kantine und Personal.

Insgesamt 8500 Arbeitsplätze werden sich vom Frühling 2016 an auf dem knapp 390 000 Quadratmeter großen Areal befinden - Unterföhring ist dann der weltweit größte Standort des Allianz-Konzerns. Seit 1992 hat das Unternehmen die ersten Gebäude in der Mediengemeinde bezogen; zwischen 1998 und 2004 kamen zwei weitere dazu, 2012 wurden noch einmal Räumlichkeiten bezogen, und erst im vergangenen Jahr hat die Allianz das spektakuläre Bauwerk der Swiss Re gekauft, wie Ingo Schulz, Abteilungsdirektor Interne Dienste, berichtet. Und Haus 4 ist nun ist auch fast fertig.

Der fünfstöckige Neubau wird von einer 60 Meter langen Brücke in einer Höhe von 4,65 Metern mit dem bestehenden Gebäude an der Dieselstraße verbunden. Von 2016 an werden die meisten Allianz-Mitarbeiter am Campus in Unterföhring ihre Büros beziehen. In München bleiben nur die Konzernzentrale an der Königinstraße in Schwabing und ein Standort der Allianz SE in Neuperlach erhalten.

In dem neuen Gebäude ist Raum für 1800 Arbeitsplätze, Schulungs- sowie Konferenzräume; es gibt ein weiteres Mitarbeiter-Restaurant, ein Café und eine Tiefgarage, wie der für Haus 4 zuständige Michael Fuchs aufzählt. Fuchs ist Baureferent in der Abteilung Immobilienwirtschaft und hat die Arbeiten auf der Großbaustelle an der Dieselstraße begleitet. 100 Millionen Euro hat der Konzern nach seinen Worten in die Expansion investiert. Entstanden ist Haus 4 in relativ kurzer Zeit: Erst im Mai 2014 ist der Grundstein für das 115 mal 115 Meter große Gebäude mit zwei unterirdischen Etagen sowie fünf oberirdischen Geschossen und mehreren Innenhöfen gelegt worden - in den nächsten Wochen können Fuchs und seine Kollegen den Neubau abnehmen und mit dem Probebetrieb in den Büros, Konferenz- und Schulungsräumen, im Restaurant, Café und den Teeküchen starten. Denn bevor die ersten Mitarbeiter zu Jahresbeginn einziehen, muss alles laufen - "reibungslos und ohne Probleme", wie Fuchs sagt. Er und sein Team haben demnächst viel zu tun.

Die "Neuen" auf dem Campus sollen sich schnell einleben können - und sich hoffentlich so wohlfühlen wie all jene, die bereits in Unterföhring arbeiten. Das jedenfalls wünscht sich Schulz, Chef der Abteilung Interne Dienste. Er und seine Leute sind die "Kümmerer" am Standort Unterföhring und die Manager all der Einrichtungen, die es auf dem Campus mit so vielen Menschen gibt. Mehr als 8000 Mitarbeiter an einem Ort - das ist fast wie ein mittelgroßes Dorf. Und dafür brauche es auch ein breit gefächertes Angebot an Unterstützung, sagt Schulz: So gibt es zum Beispiel einen Kiosk, an dem sich Beschäftigte, die daheim aufs Frühstück verzichtet haben, morgens einen Kaffee und Croissants kaufen können. Nach Dienstschluss können sie dort gleich noch ein paar Lebensmittel fürs Abendessen mitnehmen, wenn sie keine Lust mehr haben, nach einem anstrengenden Tag am Schreibtisch noch in einen Supermarkt zu gehen.

Hat jemand einen Arbeitsweg, an dem keine Reinigung an der Strecke liegt? Auch kein Problem: Einfach die Hemden, Anzüge oder Röcke und Mäntel mit ins Büro nehmen - und im kleinen Laden abgeben und später wieder abholen. Das Geschäft beherbergt zudem eine Schuhmacherei und eine Schneiderei, für den Fall, dass einem der Absatz abhanden kommt oder der Saum der Hose nicht hält. "Dieser Service wird sehr gut angenommen", sagt Schulz, und wie aufs Stichwort tritt eine Frau mit frisch gewaschenen und gebügelten Blusen aus der Tür.

Auf dem Unterföhringer Gelände können sich die Mitarbeiter zudem ein Auto leihen, wenn's einmal schnell gehen muss, wie etwa während des Bahnstreiks. Oder aber sie greifen sich eines der insgesamt fünf Campus-Bikes, wie Schulz erzählt. Sportlich betätigen können sich die Mitarbeiter nicht nur beim Radeln, wer mag, kann auch in einem der drei Fitnessräume den Stress des Tages abbauen und dann entspannt nach Hause fahren. Oder sich davor noch ein Kaltgetränk in einer der Campus-Bars genehmigen. Dort habe man erst jüngst einen "After-Lounge-Abend" eingeführt; in der Zeit zwischen 17 und 20 Uhr können sich die Beschäftigten treffen, zum Plaudern oder eben, um den Tag gemeinsam ausklingen zu lassen. Derartige Angebote sollen den Mitarbeiter freuen und ganz nebenbei auch die Corporate Identity stärken. Denn für Schulz muss ein Arbeitsplatz weitaus mehr bieten als nur ein schönes Büro mit gesundem Raumklima sowie ergonomischen Möbeln und im besten Fall mit netten Kollegen. "Wir wollen, dass sich unsere Mitarbeiter gut bei uns fühlen", versichert er.

In Unterföhring werden nach der Fertigstellung von Haus 4 mehr als 8000 Menschen im Alter zwischen 15 und 65 Jahren arbeiten, der Jüngste macht gerade eine Ausbildung zum Koch in einer der Großküchen. Selbstredend, dass die Logistik für einen solch großen Standort fest getaktet ist: In den unterirdischen Geschossen der Campus-Gebäude werden pro Tag 120 Anlieferungen per Lastwagen gezählt - das geht vom Toilettenpapier über Büromaterialien bis hin zu Unmengen von Fleisch, das dann von den Köchen - um nur ein Beispiel zu nennen - für mehrere Tage in eine Marinade aus Essig, Wasser oder Wein, Zwiebel, Möhre sowie Lorbeer, Gewürznelke, Pfefferkörnern eingelegt wird, bevor es als Sauerbraten auf dem Speiseplan in der Kantine steht.

Die ebenfalls im Untergeschoss befindliche Poststelle erinnert an ein Postamt: 5500 Briefe kommen dort tagtäglich an und müssen auf dem Campus verteilt werden, 3200 werden frankiert und verschickt. Der hausinterne Botendienst läuft zweimal am Tag jede Abteilung in allen Gebäuden an. Darunter freilich auch den Service-Point, wo Michaela Stürzer und ihre Kollegen bei Problemen aller Art zu helfen versuchen: Klemmt zum Beispiel die Jalousie, genügt ein Anruf - und die gute Seelen setzen ihr Hilfsprogramm in Gang. Das gilt auch, wenn der Computer spinnt, oder ein Knopf an der Jacke eines Mitarbeiters das Weite zu suchen droht: Nähzeug und Sicherheitsnadeln werden da schnell über die Theke gereicht. Bis zu 500 Meldungen müssen in dem Büro täglich abgearbeitet werden.

Auf dem kleinen Dienstweg geholfen wird übrigens nicht nur den Menschen, sondern auch tierischen Gästen auf dem weitläufigen Gelände im Unterföhringer Gewerbegebiet. Michaela Stürzer hat extra Futter für die Campus-Katze besorgt, die fast täglich zu Besuch kommt.

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