Taufkirchen:Zurück zum Schmuddel-Image

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Das Städtebauförderprogramm "Soziale Stadt" soll helfen, die Siedlung Taufkirchen am Wald aufzuwerten. Doch es gibt immer wieder Rückschläge: Jetzt haben Jugendliche die neue Street-Art in der Bahnhofsunterführung beschmiert.

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Tilo Klöck ist ein Mensch, aus dem die Begeisterung für seine Projekte geradezu heraussprudelt. Einer, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, andere mitzureißen und sie für seine Ideen zu gewinnen. Klöck, der Professor für "Gemeinwesensentwicklung", tritt auch in Taufkirchen auf wie ein Motivationscoach. "Wir haben ein solch tolles Street-Art-Projekt mit den Jugendlichen durchgeführt", schwärmte er kürzlich bei der Eröffnung des Quartiersladens des Städtebauförderprogramm "Soziale Stadt". Die Tristesse und das Schmuddel-Image der S-Bahn-Unterführung gehörten der Vergangenheit an, stellte er fest und freute sich sichtlich über diesen Coup, mit dem er sich seinem Ziel einen Schritt näher wähnte: Aus der Siedlung am Wald soll ein Vorzeige-Ortsteil, Taufkirchen eine Gemeinde werden, in der das Miteinander großgeschrieben wird. Doch kaum war das Kunstwerk am Köglweg vollendet, kamen andere und beschmierten die mühevoll gestalteten Bilder. Und obwohl die Täter inmitten des kunstvoll geschwungenen Schriftzugs "Wir sind Taufkirchen" ein vernichtendes "nicht" gequetscht haben, stellte sich heraus: Auch dahinter steckten Taufkirchner Jugendliche. Gemeinwesensentwicklung ist ein mühsames Geschäft.

Nun sind die beschmierten Kunstwerke der Realschüler, die im Sommer mit dem Street-Art-Künstler Frank Chmuchal viele Stunden daran gearbeitet hatten, nicht der einzige Rückschlag für Taufkirchen am Wald. Im August schockierte der Einbruch in die Grundschule an der Pappelstraße die Gemeinde. Mit einer ungeheuren Zerstörungswut zertrümmerten Unbekannte Möbel und Geräte. Computer und Beamer waren kaputt, das Lehrerzimmer total verwüstet. Die Kommune sprach von einem "Vandalismus-Schaden", denn viel gestohlen wurde damals nicht.

Bis heute hat die Polizei die Täter nicht gefasst. Noch seien die Spuren nicht ausgewertet, bestätigt Stefan Schraut, Leiter der Polizeiinspektion Unterhaching, und fügt hinzu: "Die Zerstörung der Schule liegt uns noch schwer im Magen." Es brauche bei solchen Fällen aber oft einen langen Atem, bis sie aufgeklärt werden könnten. "Ich gehe aber davon aus, irgendwann kommt es ans Tageslicht", sagt Schraut. Eine ungefähre Ahnung, wer hinter dem Einbruch und der Verwüstung stecken könnte, habe er allerdings schon, das könne man "an fünf Fingern abzählen". Die Polizei geht davon aus, dass ehemalige Schüler hier eingestiegen sind, zumal sie sich offenbar in dem Schulhaus auskannten, "der Schulbesuch kann auch schon länger zurückliegen", mutmaßt Schraut. Gleich zweimal hintereinander war in der Grundschule am Wald eingebrochen worden, und auch der Kindergarten Tranquilla Trampeltreu war Ziel nächtlicher ungebetener Gäste. Dort hatten sich die Täter in der Küche Würstl warm gemacht.

Andreas Bayerle, der Leiter des Bereichs Soziales in Taufkirchen, sieht die Häufung der Vorfälle mit Bestürzung. "Wieder mal Taufkirchen am Wald wird es heißen", befürchtet er. Seit die Siedlung in den Siebzigerjahren mit großangelegtem Geschosswohnungsbau errichtet wurde, kämpft sie gegen ihr negatives Image. Die Siedlungsstruktur und die Bevölkerungsentwicklung in den Hochhäusern der Münchner Wohnungsgesellschaft Gewofag haben es der Gemeinde nie leicht gemacht, aus Alt- und Neu-Taufkirchen ein großes Ganzes zu formen. Viele Projekte hat es bereits gegeben, um die Identifikation mit Taufkirchen und das Zusammengehörigkeitsgefühl im sozialen Brennpunkt zu fördern. Immer wieder gab es Zeiten, in denen sich Pöbeleien, aggressives Verhalten, Sachbeschädigung und Schmierereien häuften. Jetzt glaubt man mit der Sozialen Stadt einen Masterplan zu haben, aus problematischen Orten gute zu machen.

Bayerle gibt sich anders als die Polizei davon überzeugt, dass es keine Jugendlichen aus Taufkirchen waren, die in der Grundschule gewütet haben. Seine Erfahrung als Streetworker hätten ihn gelehrt, dass spätestens nach drei Tagen einer mit der Sache geprahlt hätte. "Wir haben uns umgehört, aber da kam nichts", sagt er.

Die drei Jugendlichen, die die Street-Art-Bilder in der Unterführung beschmierten hingegen wurden auf frischer Tat ertappt, da eine Passantin die Polizei alarmiert hatte. Über das Motiv der 15 und 16 Jahre alten Taufkirchner ist noch nichts bekannt. "Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es einen Streit gegeben hat - vielleicht auch weil die Projektgruppe sehr gelobt wurde", sagt Bayerle. Er erwartet nun einen Täter-Opfer-Ausgleich. Die Jugendlichen müssten sich entschuldigen und die Kosten für die Wiederherstellung übernehmen, "und das wird nicht billig", sagt er. Noch sei auch nicht klar, ob und wie schnell man das wieder hinbekomme. Offizielle Vorstellung des Projekts sollte am 27. Oktober sein.

Dass sich insgesamt die Lage in Taufkirchen am Wald erneut zuspitzt und es in jüngster Zeit wieder mehr Randalierer und Sachbeschädigung gibt, kann Polizeihauptkommissar Schraut nicht bestätigen. "Wir stellen nicht fest, dass wir dort einen Hotspot haben", sagt er. Vor fünf Jahren hatte eine Gruppe von etwa 30 Jugendlichen regelmäßig Ärger gemacht. Polizei und Gemeinde gingen damals mit Aufenthaltsverboten und der Androhung von Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro gegen die Rädelsführer vor.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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