Taufkirchen:Portfolio der Erstklässler

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Die Taufkirchener Grundschule am Wald bietet seit fünf Jahren flexible Eingangsklassen an - ein Modell mit Zukunft

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Wenn die Erstklässler von ihrem "Portfolio" sprechen, sich die Zweitklässler über ihre "Kompetenzpläne" austauschen und der Anruf bei der Mutter des Banknachbarn wegen der Hausaufgaben nichts nützt, weil der etwas anderes lernen soll, wundert sich in Taufkirchen keiner mehr. Die Grundschule am Wald bietet seit fünf Jahren flexible Eingangsklassen an: Erst- und Zweitklässler lernen gemeinsam, jedes Kind bekommt seinen individuellen Plan. Taufkirchen war eine der ersten 20 Schulen in Bayern, in der dieses Modell mit zwei, später mit vier Klassen erprobt wurde. Vom kommenden Schuljahr an werden alle Schulanfänger aus dem Ortsteil am Wald mit dieser Art des flexiblen Lernens in ihr Schulleben starten. Ausnahme wird eine Regelklasse mit einer Sprachlerngruppe sein. Denn Schulleiterin Betty Pauker ist überzeugt: "Das Modell bietet den Kindern große Chancen, und jedes Kind sollte die bekommen."

Das bayerische Kultusministerium, das die flexible Grundschule in Kooperation mit der Stiftung Bildungspakt Bayern initiiert hat, wählte Taufkirchen als Modellschule, da es in dem Sprengel am Wald bekanntlich eine sehr heterogene Schülerschaft gibt. Genau das soll kein Nachteil sein. "Die Diversität ist bewusst gewünscht, um das soziale Miteinander zu üben und gut miteinander lernen zu können", sagt Schulleiterin Pauker. Das Konzept sieht vor, dass die Kinder ihrer individuellen Leistungsfähigkeit entsprechend die ersten beiden Schuljahre in ein, zwei oder drei Jahren durchlaufen. Die Verweildauer in den Eingangsklassen soll damit auf die individuelle Entwicklung jedes einzelnen Kindes angepasst werden. Wer drei Jahre für den Stoff der beiden ersten Klassen braucht, gilt nicht als Wiederholer. "Wichtig ist nur, dass die Kinder am Ende der zweiten Klasse solide Grundkenntnisse in Lesen, Rechnen und Schreiben haben", sagt Pauker. Dass Kinder nach einem Jahr bereits in die dritte Klasse vorrücken sei bislang nur zweimal vorgekommen, die drei Jahre hingegen würden wesentlich öfter genutzt werden.

Wen das an frühere Zeiten in Bayern erinnert, wo in ländlichen Randgebieten Kinder verschiedener Altersgruppen gemeinsam in einer Klasse unterrichtet wurden, den kann die Taufkirchner Schulleiterin beruhigen: "Damals hatte man ja kein Konzept für das gemeinsame Lernen", sagt sie. Das sieht im Jahr 2015 anders aus: Die Kinder der ersten und zweiten Klasse arbeiten gemeinsam an einem Thema, jeder Schüler allerdings nach seinen Möglichkeiten. Ein Beispiel: Nach dem Besuch eines Theaters malen die Kleinen vielleicht nur ein Bild oder schreiben erste kurze Sätze dazu auf, die Älteren versuchen bereits einen Aufsatz zu verfassen.

Die flexible Grundschule setze vor allem auf Methodenvielfalt und den selbständigen Aufbau des Wissens und der Kompetenz. "Unsere Kinder kennen die offenen Unterrichtsformen", betont Pauker, "sie wissen wie man miteinander lernt, und dass man dann keinen Quatsch macht." So trifft man die Grundschüler durchaus auf dem Flur sitzend an, während sie gemeinsam an der Lösung einer Aufgabe tüfteln. "Kinder, die die ganze Zeit brav auf ihren Stühlen sitzen und die Hände auf den Tisch legen, gibt es bei uns nicht", sagt die Schulleiterin. Mit Eingangstest wird bei den Erstklässlern zunächst festgestellt, wo das Kind weiterlernen soll. "Ein Kind, das bereits lesen kann, muss ja nicht wieder mit dem Erlernen des ersten Buchstabens anfangen", ist Pauker überzeugt und sagt: "Jedes Kind arbeitet daher auf einem anderen Lernstand und mit einem anderen Tempo". Proben schreibt das Kind dann, wenn es das Gefühl hat, den Stoff zu können. "Wir wollen damit von der starken Selektion wegkommen", so die Schulleiterin. Leistung definiere sich nicht nur über Proben, sondern sei breit gestreut. Satt Noten gibt es Lernentwicklungsgespräche mit den Eltern. "Die Kinder üben, sich zu präsentieren, können das, was sie lernen reflektieren, werden selbstbewusster", hat Pauker festgestellt.

Inzwischen bieten 151 Grundschulen in Bayern diese flexiblen Einstiegsklassen an. Einem Teil von ihnen, etwa in Tegernsee, Icking und Oberau haben die Taufkirchner mit ihren Erfahrungen Starthilfe gegeben. Im Landkreis München sind in diesem Schuljahr Pullach und Neukeferloh hinzugekommen. Im September wird auch in Grünwald die flexible Grundschule eingeführt.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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