Taufkirchen:Lebensbilder

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Der Taufkirchner Künstlerkreis zeigt in seiner Herbstausstellung Schlaglichter dessen, was Kunst alles sein kann

Von Franziska Gerlach, Taufkirchen

Die Bäume haben schon einige Blätter aufs Gras geschüttelt, der Himmel ist von einer dunklen Wolkendecke überzogen, als bräche jeden Augenblick ein Gewitter los. Norbert Eckl hat eine Stimmung in Acryl gebannt, der etwas Dramatisches, beinahe Aufwühlendes anhaftet. Doch wie der Künstler jetzt im Kulturzentrum der Gemeinde vor seinem Werk steht und darüber sinniert, ist er die Ruhe selbst. Er sei ein alter Mann, sagt er, werde bald 80 Jahre alt. "Da muss ich mich auch mit einem herbstlichen Lebensgefühl auseinandersetzen."

Aquarelle und Malereien in Acryl, Fotografien und Kollagen haben die Künstler in die gemeinsame Schau eingebracht (Foto: Claus Schunk)

Er tut das auf positive Weise, mit kräftigen Farben, schätzt gerade die Muse und Fähigkeit zur Kontemplation, die dieser Lebensabschnitt mit sich bringt. Bis zu seiner Pensionierung war Eckl als Jurist tätig, heute ist er Mitglied des 1976 gegründeten Taufkirchner Künstlerkreises. Zwei Mal pro Jahr stellen die rund 20 Kreativen im Kulturzentrum der Gemeinde aus. Doch widmete sich die Ausstellung in diesem Frühjahr dem Thema "Grenzüberschreitungen", so gilt laut Künstlerkreis-Sprecher Eckl diesmal: "Jeder kann ausstellen, was er schön findet." Und tatsächlich erweist sich die Herbstausstellung, die am Donnerstagabend eröffnet hat und bis zum 28. November zu sehen ist, als ein bunter Querschnitt dessen, was Kunst alles sein kann. An zwölf Stellwänden - fünf weniger als sonst - darf sie ihr eigensinniges Wesen entfalten, das sich zuweilen so freudvoll den Gesetzen der Logik widersetzt. Aquarelle und Malereien in Acryl, Fotografien und Kollagen haben die Künstler in die gemeinsame Schau eingebracht, deren Reiz gerade in der Vielfalt des Gezeigten besteht. Manches ist gegenständlich, anderes abstrakt, und wieder anderes wirkt, als wäre es von Zauberhand gemacht. Die Schuhe zum Beispiel, die Brigitte Stanke aus Papier modelliert hat, sind so filigran, dass selbst Aschenputtel seine liebe Not hätte, darin zu laufen. Jedes der 40 Werke ist anders, und ein jedes spiegelt Erlebnisse und Gefühle, manchmal sogar das Schicksal eines Menschen wider. Mike Baumann etwa hat in seinem Bild eindrucksvoll die Schmerzen seiner Krankheit verarbeitet, die ihn offenbar noch immer begleitet. Oder weshalb sonst hat er den jungen Mann, der einen riesigen Feuerball ausspeit, in Ketten gelegt?

Die Mitglieder des Künstlerkreises zeigen eine große Bandbreite an Stilen, etwa von Siegfried Horst. (Foto: Claus Schunk)

Da könnte die Welt aus Pastelltönen, die Hartmut Boegner geschaffen hat, gegensätzlicher nicht sein. Zartes Lila und Hellblau greifen ineinander, vereinen sich im Bild zu einem Himmel, der sich fast zärtlich an die Sonne schmiegt. Deren Strahlen wirken kraftvoll, in jedem Fall stark genug, um den strukturierten Boden auszudörren, den Boegner in unterschiedlichen Farben angelegt hat. Seit 1958 ist das Gründungsmitglied des Künstlerkreises nebenberuflich als Bühnenbildner, Maler und Grafiker tätig, unter anderem hat er bereits am Goethe Institut im japanischen Kyoto ausgestellt. Auch Joe Haneder hat seine Kunst schon in ganz Deutschland gezeigt. In den beiden Werken, die er in die Herbstausstellung eingebracht hat, schlägt allerdings die Liebe zur bayerischen Heimat durch. So hat Haneder, der gerne mit Materialien und unterschiedlichen Techniken spielt, die Leonhardikirche in Siegertsbrunn mit Kronkorken nachgebildet. Unter dem Titel "Die rote Karte" hat es ein vergrößertes Zeitungsfoto von Manfred Schwabl, dem Präsidenten der Spielvereinigung Unterhaching, ins Werk geschafft.

Der studierte Physiker Alexander Dobrusskin hat sogar Albert Einstein zum Zentrum eines Bildes erhoben, der zu Lebzeiten die Theorie der Quantenmechanik stets bezweifelt hat, dies aber nicht beweisen konnte. Erst in dem Schwarzen Loch, in dem Dobrusskin den bekannten Wissenschaftler dargestellt hat, erkennt er die Wahrheit. Einstein lacht, seine Haare sind wirr. Beinahe fröhlich kommt der Fantastische Realismus hier daher. Und sehr, sehr klug.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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