Taufkirchen:Des Führers Herzschlag

Lesezeit: 3 min

Der Führer (Kristian Bader) beim Versuch, sein Smartphone zu bedienen. Sein Klingelton: der "Imperial March" - eine Hommage an Darth Vader. (Foto: Angelika Bardehle)

Axel Schneiders Theaterversion von "Er ist wieder da" entlarvt die bittere Ambivalenz der Story

Von Anna Reuß, Taufkirchen

Die Rückkehr des Bösen beginnt 66 Jahre nach Kriegsende irgendwo in Berlin. In der Verfilmung des Romans "Er ist wieder da" von Timur Vermes erwacht Adolf Hitler inmitten von trostlosen Häusern. Sogleich hört ihn der Zuschauer denken: "Liegt denn der Dönitz auch irgendwo hier herum?". Und ehe er sich richtig sammeln kann, steht eine Gruppe Halbwüchsiger vor ihm: "Wat'n dit für'n Opfer?", fragt einer der Jungs mit Berliner Zungenschlag. "Ich muss dringend zurück in den Führerbunker", beschließt Hitler sogleich und macht sich auf den Weg.

In der Theaterfassung von Axel Schneider mit Kristian Bader in der Rolle des "Führers", das am Samstag im Kulturzentrum Taufkirchen gespielt wurde, dienen Videoprojektionen dazu, die Berliner Straßenkulisse darzustellen. In einem Kiosk sucht Hitler den Stürmer und den Völkischen Beobachter, findet aber nur die Bild-Zeitung . Dass ihr Verleger eine so große Schrift gewählt habe, sei ein besonders schlauer Propaganda-Schachzug, stellt er fest, und fügt hinzu: "Daran hat nicht einmal der eifrige Goebbels gedacht."

Wie auch der Buch- und Filmvorlage gelingt es Schneiders Adaption, die Alltagsbeobachtungen des zurückgekehrten Hitlers in komische Situationen zu verwandeln und dem Publikum mitunter die Trägheit einer globalisierten Komfort-Gesellschaft vor Augen zu führen: Wenn Hitler durch das Fernsehprogramm zappt, sieht er kaum Qualität, stattdessen Koch-Shows und jede Menge Reality-TV. Über die aktuelle Bundespolitik verliert der einstige "GröFaZ" kaum ein gutes Wort: An der Spitze des Landes stehe eine "klobige Frau", die sich mit den "bayerischen Gemütstrinkern" zusammengeschlossen habe - laut Hitler ein billiger Abklatsch des Nationalsozialismus. Von der SPD sei er enttäuscht, denn sie werde von einem "penetranten Wackelpudding" (Sigmar Gabriel) und einer "biederen Masthenne" (Andrea Nahles) geführt. Einzig die Grünen könne er respektieren. In der Darstellung brilliert Bader als Führer derart, dass der Vergleich mit dem "Film-Hitler" Oliver Masucci nicht zugunsten von Letzterem ausgeht.

Höhepunkt des Stücks ist die Interaktion Hitlers mit seiner neuen Sekretärin Fräulein Krömeier, einer Berliner Schnauze von 26 Jahren, die ihn mit "meen Führer" grüßt und sich einem Modetrend entsprechend ausschließlich schwarz kleidet - was Hitler als unästhetisch kritisiert: "Ich habe 1916 an der Westfront Tote gesehen, die fröhlicher aussahen als Sie."

Die Verfilmung "Er ist wieder da" war nicht deshalb sehenswert, weil die Geschichte um Hitlers Rückkehr auf die Erde besonders lustig umgesetzt war, sondern wegen der traurig-ernsten, satirischen Momente. Wenn Hitler etwa an Touristen am Brandenburger Tor vorbeikommt, die sich unbedingt mit ihm fotografieren lassen wollen und einer gar beim Selfie stramm die rechte Hand hebt. Oder als er sich als Porträtmaler ausgibt, aber nur ein Passant lautstark protestiert.

Diese Realsatire kann das Stück nicht bieten. So gibt man sich als Zuschauer schneller der hervorragenden Darbietung der Besatz..., Verzeihung: Besetzung, hin und ertappt sich mitunter bei dem Gedanken: Vergangenheit auch mal Vergangenheit sein lassen. Schneider wirkt dem jedoch entgegen, indem er sich einerseits der Gags bedient, die Vermes Buch mit 41 verkauften Auslandsrechten enorm erfolgreich machten - andererseits aber auch, indem er die für den Zuschauer unangenehme Tatsache, dass Hitler eben kein lustiges Männchen war, hemmungslos offenbart. Nämlich dann, wenn der Führer sich im Stück damit rühmt, die "Juden dezimiert" zu haben. Schneider konfrontiert sein Publikum somit unmittelbar mit der Frage: Darf man über so etwas lachen?

Das Ende des Stücks wird eingeleitet, als Hitler dabei gefilmt wird, wie er die NPD-Parteizentrale besucht und den jämmerlichen Haufen zu Gescheiterten erklärt - es soll "der nächste Schritt zur Marke Hitler" werden. Damit gewinnt der Sender, für den Hitler nun arbeitet, einen Grimme-Preis. Beflügelt vom kommerziellen Erfolg des - in ihren Augen - erfrischend authentischen Hitler-Doubles, beginnt die Firma mit dem Slogan "Es war nicht alles schlecht" zu werben. Schneider wählt ein alternatives Ende, in dem Hitler verprügelt wird: Asystolie. Doch dann hört das Publikum den Herzschlag - er ist wieder da! Der Spuk auf der Bühne nimmt erst ein Ende, wenn Bader sich beim Verneigen unter Applaus den Bart abreißt.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: