Taufkirchen:"Das Bairische hat etwas Anschmiegsames"

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Heimatsound ohne Pathos: Der gebürtige Straubinger und Wahl-Regensburger Mathias Kellner. (Foto: Carsten Bunnemann)

Der niederbayerische Liedermacher Mathias Kellner nutzt in seiner Musik die Vorzüge der Mundart und sieht Parallelen zwischen Bayern und den Erfindern des Rock'n'Roll

Interview von Irmengard Gnau, Taufkirchen

Insgesamt fünf Tonträger hat der gebürtige Straubinger Mathias Kellner gemeinsam mit seiner Band "Kellner" veröffentlicht, rockig-folkige Gitarrenmusik, die an amerikanische Vorbilder erinnert, allesamt mit Texten in englischer Sprache. Dann begann Kellner sein Soloprojekt - in bairischer Mundart. Mit seinem inzwischen zweiten Album "Zeitmaschin'" ist der 31-Jährige zurzeit auf Tournee durch Deutschland und Österreich. Am 7. November gastiert er in Taufkirchen.

SZ: Fredl Fesl, der für viele den Urtypus des bairischen Liedermachers verkörpert, hat gerade mit 68 Jahren seine Autobiografie veröffentlicht. Sie sind Jahrgang 1984 - haben Künstler wie Fesl Sie beeinflusst?

Mathias Kellner: Ja, auf jeden Fall. Ich erinnere mich noch gut, dass meine Eltern eine Platte von Fredl Fesl hatten. Noch bevor ich wusste, wie man die auflegt, hat mich dieser Mann, der eine Gitarre in den Händen hatte, fasziniert. Als ich dann das erste Mal seine Musik gehört habe, war ich sofort Fan. Ich war auf einigen seiner Konzerte und durfte ihn inzwischen sogar selbst kennenlernen. Er war auf jeden Fall ein großer Einfluss.

Sie selbst singen seit Ihrem ersten Soloalbum 2014 nur noch in Mundart. Was hat damals den Ausschlag gegeben, dass Sie vom Englischen ins Bairische gewechselt sind?

Als ich meine erste Platte "Hädidadiwari" gemacht habe, war es ein bisschen Zufall, dass ich gerade Zeit dafür hatte. Ich habe auch früher schon Texte auf Bairisch geschrieben, aber der Fokus lag damals noch auf der Arbeit mit der Band, darum habe ich die immer auf die Seite gelegt. Als die Band Pause gemacht hat, habe ich die Texte wieder in die Hand genommen und zum ersten Mal damit angefangen, mich mit der Mundart wirklich auseinanderzusetzen. Dabei habe ich - auch im Vergleich zu den englischen Texten, die ich sonst geschrieben habe - herausgefunden, wie großartig man in Mundart schreiben kann. Das hat mich so fasziniert, dass ich damit weitergemacht habe.

Welche Möglichkeiten bietet die Mundart, die andere Sprachen nicht bieten?

Für mich war klar: Wenn ich etwas schreibe, das nicht Englisch ist, dann mache ich Mundart. Denn wenn ich etwas nicht gscheid kann, dann ist es Hochdeutsch - da kann ich, glaube ich, besser Englisch. Ich habe als Jugendlicher in erster Linie deshalb englische Texte geschrieben, weil meine Eltern die nicht unmittelbar verstanden haben und ich mich ein bisschen hinter dieser Sprache verstecken konnte. Außerdem kamen meine Einflüsse alle aus dem Englischen, dem habe ich eben nachgeeifert. Mundart war ganz lange out, weil sie nur in schlageresken Musikstilen und volkstümlicher Musik benutzt wurde, zu der sich kaum ein Jugendlicher zugehörig gefühlt hat. Als Künstler wie Claudia Koreck oder La Brass Banda anfingen, war plötzlich ein Wandel spürbar. Man konnte auch einmal einen Text auf Bairisch machen, der nicht sagt: "Die Wälder sind grün und die Wiesen sind frisch und mein Herz ist in die Berg". Das hat mich inspiriert, auch selbst in diese Richtung was zu machen.

Man hat den Eindruck, dass die neue Beliebtheit der Mundart in Süddeutschland besonders stark ausgeprägt ist. Eignet sich das Bairische besonders gut?

Das Bairische ist eine sehr fließende Sprache, ähnlich wie das amerikanische Englisch. Dazu kommen gewisse Parallelen zwischen den Menschen im Süden der USA, wo zum Beispiel der Blues und der Rock'n'Roll entstanden sind, und im Süden Deutschlands: Beide leben gern auf großem Fuß, sind dabei sehr eigen in ihrer Art und ihrem Denken, ein bisserl hinterwäldlerisch, ein bisserl langsam, und das hört man eben auch im Zungenschlag. Das Amerikanische "Waowao", aber auch wenn ein Bayer so richtig drin ist in seinem Dialekt. Das lässt sich so richtig singen. Das Hochdeutsche hingegen hat schnell so eine Kälte, eine gewisse maschinelle Phonetik. Das Bairische dagegen ist sehr zach, lässt sich ziehen und ausstreichen. Die Sprache hat etwas Rundes, etwas Anschmiegsames, daher funktioniert sie auch mit so vielen Musikstilen.

Hat auch das Publikum eine gewisse Sehnsucht entwickelt nach dem, was gern "Heimatsound" genannt wird?

Ich glaube schon, ja. Wir sind lange Zeit mit sehr viel amerikanischer oder englischer Musik aus dem Radio bestreut worden. Das waren schöne Melodien, aber die Nähe war nie da, man hat sich nicht damit identifizieren können. Und das ist jetzt bei der Mundart anders, glaube ich. Zu mir kommen viele Leute nach dem Konzert und sagen: Es ist so schön, dass man die Geschichten versteht, die du singst. Bei amerikanischen Kollegen muss man, selbst wenn man gut Englisch kann, ganz genau aufpassen, um die Geschichten zu verstehen. Das macht viel aus.

Heute tauchen häufig auch Instrumente, die traditionell in der Volksmusik beheimatet sind, in Pop-Arrangements auf. Was reizt daran?

Man versucht als Künstler ja, sich immer wieder neu zu erfinden. Wenn man Instrumente in seine Arrangements mit einbezieht, die klassischerweise nicht zum Pop gehören, ist das unglaublich spannend. Damit limitiert man sich gewissermaßen, gibt sich aber auf der anderen Seite unglaublich viel Freiraum, mit etwas zu experimentieren, mit dem man sonst nicht experimentieren würde.

Die Tour zu Ihrem aktuellen Album "Zeitmaschin'" trägt den Titel "Gsungene Gschichtn". Was sind es für Geschichten, die Sie da erzählen?

"Zeitmaschin'" ist ein Konzeptalbum, in dem es um meine Kindheit und Jugend in Niederbayern geht, um Alltagsgeschichten und -begegnungen, die man als Kind und Jugendlicher hat. Um das Leben auf dem Land, das Partymachen in der Kleinstadt und wie man davon auch geprägt wird für sein späteres Leben.

Mathias Kellner tritt am Samstag, 7. November, mit seinem "Zeitmaschin'"-Programm im Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen, Köglweg 5, auf. Begleitet wird er von Andreas Schechinger (Schlagzeug) und Luck Cyrus Götze an der Gitarre. Konzertbeginn 20 Uhr, die Abendkasse öffnet um 19 Uhr.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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