Webstuhl mit Geschichte:Ein Schal für den Papst

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Anselm und Anette Faller sind längst vom "Web-Virus" befallen. (Foto: N/A)

Auf dem Webstuhl von Anette und Anselm Faller wurden die Mitra und Stola für Benedikt XVI. gefertigt. Heute steht das mehr als 50 Jahre alte Trumm im Depot des Unterföhringer Heimatmuseums - das traditionsreiche Handwerk wollen die Eheleute bewahren.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Allein das Aufspannen und Einfädeln dauert gut 16 Stunden. In dieser Zeit schafft es aber nur jemand, der es kann. Anselm Faller kann es, als Bub hat er seiner Mutter Elisabeth oft dabei zugeschaut und sich die einzelnen Schritte gut gemerkt. Jetzt wird es Zeit, dass er es wieder versucht. Ihm und seiner Frau Anette aus Unterföhring gehört der mehr als 50 Jahre alte Webstuhl, der seit kurzem im ersten Stock des Museumsdepots des Heimatvereins Feringer Sach steht. Und er ist ein echtes Trumm, wie man in Bayern sagt.

Auf der Schreinerarbeit aus Massivholz sind viele Stoffe entstanden, für berühmte Menschen, und der Webstuhl soll, so ist es der Wunsch der Fallers, vielleicht schon bald wieder in Betrieb genommen werden. Um das alte Weberhandwerk vorzuführen, zum Beispiel beim jährlichen Tag der offenen Tür im Museumsdepot an der Gaußstraße in Unterföhring. Doch das ist Zukunftsmusik.

Den Webstuhl - ein Erbstück - haben Anselm und Anette Faller dem Museum Feringer Sach überlassen. (Foto: Florian Peljak)

Der Webstuhl, den ein Onkel von Anselm Faller einst anfertigte, hat eine buchstäblich bewegte Geschichte; auf ihm sind wahre Schätze entstanden. Elisabeth Faller, die Mutter des Wahl-Unterföhringers, hat darauf mit Goldfäden durchwirkte Stoffe gewebt, aus denen Mitra und Stola des früheren Münchner Erzbischofs Josef Ratzinger und späteren Papstes Benedikt genäht wurden. Oder Seidenstoffe, mit denen die Tabernakel im Liebfrauendom ausgekleidet wurden. Anselm Faller hat als kleiner Bub dabei geholfen, diese im Bogenhausener Keller produzierten, kostbaren Stoffe anzubringen.

Die Vorbereitung ist beim Weben alles

Schon beim Anspannen und Einfädeln ist es nötig, das Garn so zu positionieren, dass Streifen, Karos und Rauten stimmen. (Foto: Florian Peljak)

Auch beim Einspannen der Fäden auf dem Webstuhl hat er zugeschaut - und dabei, wie seine Mutter Elisabeth die Pedale bediente, den Weberkamm benutzte und das Schiffchen mit Schwung durch die kunstvoll nebeneinander liegenden Garne rauschen ließ. Das Faible für das mühselige Handwerk hat der 51-Jährigen bis heute behalten, und auch seine Frau Anette ist vom "Web-Virus" befallen, wie sie lachend sagt. Sie habe sich die Grundbegriffe draufschaffen müssen, sich durchgefuchst und gelernt, wie es funktioniert. Die 47-Jährige hat Kurse besucht, Bücher gelesen und sich anfangs an einfache Muster herangetraut. Denn Vorbereitung ist beim Weben alles: Man muss bereits zu Beginn ganz genau wissen, was am Ende rauskommen soll. Schon beim Anspannen und Einfädeln ist es nötig, das Garn so zu positionieren, dass Streifen, Karos und Rauten stimmen. Was beim Nähen Schnittmuster heißt, ist beim Weben der Plan.

Die Unterföhringer Eheleute haben den Webstuhl geerbt. Nach dem Tod von Elisabeth Faller 2004 stand er ungenutzt im Keller des Hauses in Bogenhausen, wo diese zusammen mit ihrem Mann Max, einem weithin bekannten Erschaffer von sakraler Kunst, gelebt hat. Max Faller studierte in den Jahren 1947 bis 1954 an der Kunstakademie in München. Er war Meisterschüler des Münchner Bildhauers Josef Henselmann und befasste sich ausschließlich mit religiösen Themen. Neben dem bildhauerischen Werk, wie Brunnen, Säulen und bronzene Türflügel, fertigte Faller Innenräume von Kirchen und Kapellen sowie zahlreiche Gegenstände zur Ausschmückung sakraler Bauten und Schmuckstücke für hohe Würdenträger der katholischen Kirche.

So hat Faller zum Beispiel den Dante-Brunnen an der Veterinärstraße in München gestaltet oder die bronzenen Türflügel für das nördliche Westportal des Kaiserdoms in Speyer. Auch Altar, Ambo, Sedilien, Tabernakel und Sitzbänke der Sakramentskapelle in der Münchner Frauenkirche stammen von ihm, ebenso wie das Evangeliar für das Erzbistum München und Freising, das als Geschenk an Papst Benedikt übergeben wurde zu dessen 80. Geburtstag. Der emeritierte Papst trägt einen Fischerring des bekannten Münchner Künstlers.

Weben hat etwas Meditatives

Ein Jahr nachdem Max Faller 2012 starb, "ist der große Webstuhl zu uns gekommen", wie Anette und Anselm Faller sagen. In seine Einzelteile zerlegt, aber mit allem Drum und Dran und kistenweise Garn und Stoffresten, die aus der Hand von Elisabeth Faller stammten. Das Weben hat etwas Meditatives, kann aber auch ganz schön an die Nerven gehen. "Zum Beispiel, wenn der Faden reißt", sagt Anette Faller. Vor allem bei den ersten Versuchen am Webstuhl passiert das gerne einmal. Und da heißt es dann: Ruhe bewahren und nicht die Geduld verlieren. Mit der Zeit wird es besser.

Ein Onkel von Anselm Faller hat den Webstuhl einst angefertigt. (Foto: Florian Peljak)

Weil Anette Faller das Handwerk von Grund auf lernen und vor allem regelmäßig üben wollte, kaufte die Familie einen kleinen Webstuhl in einer Werkstätte im Bayerischen Wald. Der steht im Haus der Fallers in Unterföhring und ist regelmäßig in Benutzung, wie man auch sieht. Anette Faller, die als Ärztin arbeitet, ist gerade dabei einen Stoff zu weben, aus dem vielleicht ein schönes Geschirrhandtuch werden kann. Um den Hals trägt sie einen kunstvoll gewebten Schal mit kleinem Muster, den ihre Kursleiterin gemacht hat. Irgendwann wird sich die 47-Jährige vielleicht auch einmal an solch ein seidiges Meisterstück wagen.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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